Die Stunde der Gladiatoren
er vom Sehen kannte, entboten ihren GruÃ, desgleichen Klienten, die er vor Gericht vertreten hatte. Hinzu kamen, wie nicht anders zu erwarten, die üblichen Bittsteller, unter ihnen sogar einer mit einer Schriftrolle, die er ihm in die Hand drücken wollte. Wäre Syphax, der ihm den Weg bahnte, nicht gewesen, hätte Varro für seinen Weg mehrere Stunden gebraucht. Allein die Anwesenheit seines Leibsklaven, der seine Mitmenschen um Haupteslänge überragte, reichte jedoch aus, um den Pulk, von dem er umgeben war, auf Distanz zu halten.
Varro sah und nahm es mit Gelassenheit, verschmähte es aus Prinzip, eine Sänfte zu benutzen. Manche seiner Standesgenossen, allen voran die im Rat, mokierten sich zwar darüber, aber das lieà den Anwalt, dem Dünkel verhasst waren, völlig kalt. Diese Leute, all die Krämer, Passanten, Verkäufer und Händler, waren Treverer wie er, mit dem Unterschied, dass die Götter es so eingerichtet hatten, dass er das Kind wohlhabender Eltern geworden war.
»So früh schon unterwegs, Herr? Wie wärâs mit einem Blick in die Zukunft?«
»Ach, du schon wieder, Teiresias!« Im Begriff, das Forum zu betreten, blieb Varro vor dem Torbogen stehen, an dem der Bettler mit dem wohlklingenden Namen Position bezogen hatte. Ob er wirklich so hieÃ, wusste kein Mensch, ebenso wenig, woher er kam. Und ob er blind war, wollte Varro lieber nicht beschwören. »Beim Belenus â da behaupte mal einer, du könntest nicht sehen!«
»Ein Schwindler â ich?«, entrüstete sich der Bettler, dessen Haar bis auf die Schultern reichte, während er den Kopf bald in die eine, bald in die andere Richtung drehte. »Traust du mir etwa nicht?«
»Was heiÃt hier âºtrauenâ¹, Teiresias«, konterte der Anwalt und schüttelte die Klaue ab, welche sein Handgelenk umklammert hielt. »Was vor Gericht zählt, sind doch wohl Beweise, oder?«
Teiresias, nach Bedarf Kundschafter, Botengänger und Informant, lieà sich nicht beirren. »Kein Grund zur Skepsis, Herr«, flötete er, in eine langärmelige, löchrige Tunika aus Schafwolle gehüllt, die vor Schmutz nur so starrte. »Du weiÃt doch, auf mich kann man sich verlassen.«
»Hm.« Scharlatan oder nicht, auf Teiresias, der buchstäblich das Gras wachsen hörte, war in der Tat Verlass. Davon hatte er sich mehrfach überzeugen können. »Na schön, was liegt an?«
»Es gibt Neuigkeiten, Herr.«
»Gute oder schlechte?«
»Kommt drauf an, was man darunter versteht.« Der Bettler lächelte maliziös. »Wie dem auch sei, es hat nichts mit dir zu tun.«
»Ich muss gestehen, du machst mich neugierig«, entgegnete Varro und drückte Teiresias einen Solidus in die Hand. »Lass hören.«
»Unter vier Augen, Herr â nicht hier.«
»Ich denke, du kannst nicht sehen!«
Kein Freund von Varros Humor, verzog der Bettler das Gesicht. »Aber ich kann den Atem deines Begleiters spüren. Dein Leibsklave, hab ich recht?«
Der Advokat bejahte. Und fügte, an seinen Beschützer gewandt, hinzu: »Kein Grund zur Sorge, Syphax â ich denke, ich komme auch ohne dich zurecht.«
»Bist du dir dessen auch ganz �«, begann der Hüne und schielte dabei nach dem Gehstock, auf dem die Hand seines Herrn ruhte.
»Natürlich bin ich mir sicher â kein Grund zur Sorge.« Varro winkte gelassen ab. »Und weil dem so ist, gehst du jetzt nach Hause, richtest Fortunata aus, dass es später wird und machst dann einen kleinen Abstecher in den âºKantharosâ¹.«
»Wozu denn, Herr?«
»Die Schankwirtin fürchtet um ihr Leben. Ergo: Du weichst ihr nicht von der Seite, ist das klar?«
*
»Dein Bein?«, versetzte der Bettler, nachdem Varro sich ihm erneut zugewandt, einen Schritt nach vorn gemacht und mit schmerzverzerrter Miene innegehalten hatte. »Du weiÃt doch: Mit so etwas ist nicht zu spaÃen!«
»Ebenso wenig wie mit mir!«, giftete Varro, dem die Ratschläge, mit denen er überhäuft wurde, allmählich auf die Nerven gingen. »Ad rem, Teiresias â was gibt es Neues?«
»Nicht hier, Herr!«, raunte ihm der Blinde zu und lotste ihn unter dem Torbogen hindurch, ohne Stock, wie Varro kopfschüttelnd registrierte. Dann bog er nach links und bewegte sich auf die Kolonnaden zu, welche den Platz vor der
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