Die Stunde der Gladiatoren
stillvergnügt vor sich hin. »Noch Fragen?«
»Mit Verlaub â ja.« Chrysaphius fingerte nervös an seinem Pektoral herum. »Einmal angenommen, einer deiner Gefolgsleute läuft über â was dann?«
»Mach dir keine Sorgen. Auf die Personen, deren Namen auf dem Papyrus stehen â oder vielmehr standen â, ist Verlass. Jederzeit . Und in jeder Situation.«
In Chrysaphius, der einen scheuen Blick auf das Kohlenbecken warf, regten sich dennoch Zweifel. »Ich hoffe nur, dass Scorpio keinen Fehler macht.«
»Kenne ich ihn?«
»Wohl kaum.« Chrysaphius dämpfte die Stimme. »Ein Mann ohne Skrupel, ohne Hemmungen, ohne Nerven. Er hat mich gestern nicht enttäuscht, dann wird er mich auch in Zukunft nicht enttäuschen. Wer es fertigbringt, einen Gladiator zu töten, dem muss vor deinem Gemahl nicht bange sein.« Chrysaphius trat nervös auf der Stelle. »Falls Majestät wissen, worauf ich anspiele.«
Die Antwort bestand aus einem Lächeln. »Wobei ich zuversichtlich bin, dass auch du, Chrysaphius, dein Handwerk verstehst.«
Der Kammerherr machte eine Verbeugung. »Wie gesagt: Majestät können sich auf mich verlassen.«
»Das hoffe ich!«, warf Flavia Maxima Fausta ein und schlang die messerscharfen Krallen um den Kelch, welcher neben dem mit Trauben, Feigen, getrockneten Pflaumen und gesüÃten Datteln überhäuften Silbertablett stand. »Schade, wenn dir etwas zustoÃen würde!«
VIII
Forum, kurz vor Beginn der sechsten Stunde
[10:30 h]
»Probus? Der treibt sich wahrscheinlich drüben in den Thermen rum!«, lautete die Antwort von Crixtus, Gehilfe seines Freundes, als Varro das überfüllte Behandlungszimmer betrat. »Soll ich ihm etwas ausrichten, Herr?«
»Nicht nötig«, beschied Varro den Pannonier und warf einen Blick durch die Tür, welche das Tablinum des Medicus vom Warteraum trennte. »So weit schaffe ich es gerade noch.«
Crixtus, stämmig, kurz angebunden und ein ziemlicher Grobian, war in der Tat nicht zu beneiden. Varro runzelte die Stirn. Ein Junge mit Zahnschmerzen, eine Schwangere, ein Greis, der an Krücken ging, und ein Arbeiter mit gebrochenem Arm. Ein Dutzend weitere Patienten, darunter eine Frau mit Augenbinde. Bis jeder verarztet war, der im Wartezimmer saÃ, würden wahrscheinlich Stunden vergehen, und da Geduld nicht zu seinen Stärken zählte, verabschiedete er sich und trat auf das Forum hinaus.
Dort traf er zwar auf keine Kranken, dafür aber auf Hunderte von Treverern, welche sich auf dem Geviert vor der Marktbasilika drängten. Dort gab es Waren aus aller Herren Länder, unter anderem Schmuck, Geschirr aus Ton und alles, was man für den Hausgebrauch benötigte. Wahre Heerscharen von Händlern, Marktschreiern und Kaufleuten säumten Varros Weg, teils aus Treveris, zum Teil aber auch aus Gegenden, die man nur vom Hörensagen kannte. Gerade heute, während des Thronjubiläums, gab es viel zu verdienen, und es schien, als sei die ganze Stadt auf den Beinen.
Kein Mann für derlei Anlässe, fiel es Varro schwer, sich einen Weg durch die Menge der Feilschenden, Zeternden, Schachernden, lauthals Schimpfenden und ihre Waren Feilbietenden zu bahnen, und es half ihm wenig, dass er seine weiÃe Toga trug. Von überallher ertönten Rufe, Gelächter, Hundegebell, Geschnatter, Gekrähe, Gemeckere und das Geschrei von Maultieren, welche von ihren Herren, unter ihnen Winzer, Wollhändler, Küfer, Töpfer und Geflügelzüchter, an dafür vorgesehene Pflöcke gebunden worden waren.
Doch das war, wie Varro aus leidvoller Erfahrung wusste, längst noch nicht alles. Immer wieder, besonders an heiÃen Tagen wie heute, gab es Streitigkeiten, sei es, dass Töpferware zu Bruch gegangen, sei es, dass das Obst faul, der Wein ungenieÃbar oder der Fisch, welcher offeriert wurde, längst verdorben war. Verglichen mit dem, was den Ãdilen Kopfzerbrechen bereitete, war dies jedoch nichts. Wo es etwas zu holen gab, trieben sich bekanntlich auch Diebe und lichtscheues Gesindel herum. Treveris bildete da keine Ausnahme. Wie viele Prozesse von Betrug, Scharlatanerie, Falschmünzerei und Benutzung von falschen MaÃen und Gewichten Varro bereits hinter sich hatte, konnte er beim besten Willen nicht sagen, es mochten Dutzende, wenn nicht gar Hunderte sein. Viel zu verdienen gab es dabei freilich
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