Die Stunde der Gladiatoren
sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. »Wenn man dich reden hört, denkt man, dass der Kerl ein Halbgott war.«
»Er war einer von uns, Incitatus. Da können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.«
»Das sagt sich so leicht, Myron«, warf Ursus ein, ein hünenhafter Pikte mit tätowiertem Oberarm. »Du weiÃt doch, wie die Leute über uns denken, oder? âºNur ein toter Gladiator ist ein guter Gladiator.â¹ Die juckt es nicht, was mit uns passiert!« Der rothaarige Koloss, Secutor und zuweilen auch Ringer, machte eine abfällige Geste. »Wenn ihr mich fragt, können wir uns die Mühe sparen. Für uns macht niemand einen Finger krumm. Weder die Zuschauer, noch die Ratsherren, noch der Stadtpräfekt. Niemand. Damit müssen wir uns abfinden. Für die sind wir nicht besser als Sklaven. Abschaum. Gesindel, dem man tunlichst aus dem Weg gehen sollte.« Der Pikte spie verächtlich aus. »Schon gut, Kameraden, ich weiÃ, was jetzt kommt: Die jubeln uns doch zu, die feuern uns an, die bangen um uns, die vergöttern uns! Träumt weiter, ihr Fantasten. Wir alle, auch du, Myron, sind nur Mittel zum Zweck. Nervenkitzel, Zerstreuung, Unterhaltung â mehr wird von uns nicht verlangt. Und natürlich muss auch Blut flieÃen, je reichlicher, desto besser. SchlieÃlich will das Volk unterhalten werden. Wen kümmert es da, wenn einer von uns krepiert, wenn der, dem sie zujubeln, in einer Abfallgrube landet! Nein, Männer: Wer denkt, die nehmen uns ernst, ist nicht ganz richtig im Kopf.«
»So darfst du nicht denken, Ursus. Sonst kannst du dir gleich einen Strick um den Hals legen.«
»Keine üble Idee, Euphrates. Dann hätte ich es endlich hinter mir.«
»Jetzt ist es aber genug, Männer. Weiter gehtâs, sonst â¦!«
»Ich finde, Myron hat recht.« Der Blondschopf, welcher Danaos ins Wort fiel, hatte erst zwei Kämpfe bestritten. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, das Wort zu ergreifen. »An der Sache ist was faul.«
»Ich sagâs nicht noch mal, Bato. Entweder du tust, was ich sage, oder du kriegst es mit mir zu tun!«
»Niger war mein Freund, Danaos.«
»Na und? Das macht ihn auch nicht mehr lebendig.«
Der Provocator, zwar erst 19, nach allgemeiner Ãberzeugung jedoch der beste Speerschleuderer der Provinz, antwortete mit einem Kopfschütteln. »Und das von einem Mann, der wie ein Vater für ihn war!« Bato, der Herkunft nach Alamanne und Spross eines Waffenschmieds, von dem er im Kriegshandwerk unterwiesen worden war, schüttelte abermals das Haupt. »Auf die Gefahr, Prügel zu beziehen: An der Sache ist was faul. Ich weià zwar nicht, was, aber es kann ja nicht so schwer sein, dies herauszufinden.«
»KlugscheiÃer.«
»Hab Dank für das Kompliment, Incitatus. Ich fürchte nur, Pöbeleien bringen uns nicht weiter.«
»Sondern?«
»Denk doch mal nach, Ursus: Gestern Abend war Niger noch springlebendig. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, dass irgendwas nicht stimmt.«
»Na ja, so lebendig nun auch wieder nicht.«
Bato stutzte. »Wie meinst du das, Myron?«
Der Samiote wiegte das schwarz gelockte Haupt. »Schwer zu sagen. Irgendwie ⦠Keine Ahnung, wie ich das sagen soll. Irgendwie war er anders als sonst.«
»Kein Wunder, wenn man gerade jemanden getötet hat, oder?«
»Stimmt, Mucro. Aber daran kann es ja wohl nicht gelegen haben. Jedenfalls nicht nur.« Ohne Danaos auch nur eines Blickes zu würdigen, begann Myron auf und ab zu gehen. »Ihr könnt sagen, was ihr wollt, Kameraden, aber so deprimiert wie gestern habe ich Niger noch nie erlebt.«
»Du musst es ja wissen. Warst ja schlieÃlich sein Stubengenosse.«
»Eben.« Der Samiote stieà einen StoÃseufzer aus. »Genau das, Mucro, ist das Problem. Niger war völlig verändert. Hat kaum den Mund aufgemacht. Dem musste man die Wörter einzeln aus der Nase ziehen.«
»Kann passieren, oder?«
»Klar kann das passieren. Hat mich aber trotzdem stutzig gemacht.« Myron runzelte die Stirn. »Mitten in der Nacht abzuhauen â sieht ihm überhaupt nicht ähnlich.«
»Jetzt tu doch nicht so, Myron!«, stichelte Incitatus und blinzelte dem Ausbilder zu. »Das haben wir ja wohl alle hinter uns, oder?«
»Du vielleicht, aber ich nicht.«
»Dreimal kurz gelacht! Das kannst du
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