Die Stunde der Gladiatoren
flankierten, regte sich nichts. Blieb also nur noch das Hauptgebäude, ein Ort, an dem er sich bestens auskannte.
Vorbei am Gerüst, hinter dem sich die unverputzte AuÃenfassade erhob, drang der Präfekt auf die Baustelle vor. Vor ihm lag der Kaltbadesaal, wie der Rest des Gebäudekomplexes bereits überdacht, dahinter das zukünftige Tepidarium. Am Ostende, nur schemenhaft zu erkennen, befand sich der HeiÃbadesaal, eine überwölbte Halle, deren AusmaÃe alles Vorherige in den Schatten stellen würde.
Scorpio, der sich behutsam vorwärtsbewegte, hatte jedoch kein Auge dafür. Irgendwo im Umkreis von einer Achtelmeile musste sich das Luder verkrochen haben. Alles, worauf es ankam, war, ruhig Blut zu bewahren, jeden Winkel zu durchkämmen und das Weibsstück, das ihn zum Narren halten wollte, in die Enge zu treiben. Zoll für Zoll, Schritt für Schritt, Zug um Zug. Die Trophäe war eine Sache, die Jagd danach eine andere. Egal, wie langwierig, die Freude daran durfte man sich nicht nehmen lassen. Nicht einmal hier und nicht einmal unter diesen Umständen. Je gröÃer die Vorfreude, desto nachhaltiger der Triumph.
Und die Befriedigung, am Ende die Oberhand behalten zu haben.
Entschlossen, dem Vorsatz Taten folgen zu lassen, schlich der Präfekt weiter, hielt jedoch am Durchgang, wo das Tepidarium an das Caldarium grenzte, inne. Ein Blitzbündel nach dem andern fuhr hernieder, manche weit weg, andere wiederum so nah, dass es auf einen Schlag taghell wurde. Scorpio hielt den Atem an. Er war bestimmt kein Feigling, aber was sich hier abspielte, flöÃte selbst ihm Angst und Schrecken ein.
Und dann, als das Schlimmste bereits vorüber schien, geschah es. Unweit der Apsis, maximal 200 Schritte entfernt, schlug der Blitz in eine Bauhütte ein. Scorpio blieb wie festgewurzelt stehen. Schuld daran waren jedoch weder das grelle Licht, noch das Donnergrollen, noch die Tatsache, dass die Bauhütte Feuer fing. Schuld daran war etwas anderes.
Etwas, womit er im Leben nicht gerechnet hatte.
Direkt vor ihm, inmitten von Taurollen, Kacheln, ungelöschtem Kalk und Ziegelsteinen, lag ein Körper. Ein Körper, über den ein Leichentuch ausgebreitet worden war.
Die Nerven behalten oder umkehren â das war die Frage.
Scorpio entschied sich für Ersteres. Die Frau, derentwegen er hier war, spielte keine Rolle mehr. Es gab Wichtigeres zu tun, weit Wichtigeres sogar.
Einen Kloà im Hals, setzte sich der Präfekt in Bewegung, tastete sich behutsam voran. Die Zeit stand still, und ihm war, als habe das Unwetter plötzlich aufgehört. Ob Blitz, Donner, Hagel oder Windböen â sämtliche Geräusche, sogar diejenigen seiner Schritte, waren verstummt. Scorpio schlug das Herz bis zum Hals. Es schien, als gebe es nur ihn, Scorpio, und den Körper, der regungslos auf den Steinfliesen lag. Nur sie beide und sonst niemanden auf der Welt.
Doch er irrte.
Kaum war der Köper erreicht, das Knie gebeugt und der Zipfel des Leichentuchs ergriffen, geschah das Unfassbare. So plötzlich, dass er fürchtete, den Verstand zu verlieren.
Vor ihm, im Widerschein eines Blitzes, stand ein Mann. Dieser Mann war groÃ, hager, trug eine Toga und schien nicht im Mindesten überrascht, ihn hier zu treffen.
Ganz anders der Präfekt, der wie erstarrt neben dem verhüllten Körper verharrte. »Wenn ich du wäre, würde ich das bleiben lassen!«, sprach die Gestalt, als Scorpio den Griff um seinen Dolch verstärkte. »Du hast ohnehin keine Chance.«
»Wer sagt das?«
»Ich.«
»Und mit wem habe ich die Ehre?«
»Ich bin es, der hier die Fragen stellt, verstanden?« Ohne die Antwort abzuwarten, beugte sich der Mann in der weiÃen Toga nach vorn, ergriff das Leichentuch und zog es mit einem Ruck beiseite. »Ich nehme an, du kennst diesen Mann, oder?«, fragte er und wartete die Erwiderung des Präfekten erst gar nicht ab. »Machen wir es daher kurz: Ich beschuldige dich, den Gladiator namens Niger am gestrigen Tag â oder vielmehr Abend â vom Leben zum Tode befördert zu haben. Mithilfe deines Komplizen, uns beiden unter dem Namen Maximinus bekannt, hast du ihn unter einem Vorwand hierher gelockt, um ihn meuchlings zu ermorden und im Anschluss daran in einer unweit des Tatortes gelegenen Abfallgrube zu versenken. Soweit korrekt?«
»Das musst du mir erst beweisen.«
Die Ruhe in
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