Die Stunde der Gladiatoren
Person, fuhr Varro unbeirrt fort. »Dein Pech, dass es eine Zeugin gibt. Wie wir beide wissen, ist sie dir und Maximinus gefolgt, aus Sorge, ihrem Mann könne etwas zustoÃen. Berechtigterweise, wie ich der Vollständigkeit halber hinzufügen muss. Ich weiÃ, es klingt merkwürdig, wenn ich das sage: Hättest du sie umgebracht, wäre ich dir vermutlich nie auf die Spur gekommen. Um den Auftrag, mit dem du betraut wurdest, nicht zu gefährden, schreckst du jedoch davor zurück und begnügst dich damit, Nigers Frau Angst einzujagen â mit Erfolg.«
»Das beweist noch gar nichts.«
»Findest du?« Nicht gewillt, sich aus dem Konzept bringen zu lassen, schnippte Varro mit dem Finger, worauf sich die Gestalt einer Frau aus der Dunkelheit löste und ohne zu zögern in den Lichtkreis trat, welche die Fackel des Advocatus auf die Fliesen warf. »Darf ich vorstellen â Merabaudis, Nigers Frau. Ihr beide kennt euch, hab ich recht?«
»Ja, Herr!«, erwiderte die Angesprochene mit fester Stimme. »Das ist er, ich kannâs beschwören!«
»Kompliment«, flüsterte Scorpio, dessen Verblüffung nur von kurzer Dauer war. »Das hast du schlau eingefädelt. Aber nicht mit mir, kapiert? Nicht mit mir!«
Kaum hatte er geendet, machte Scorpio seine Ankündigung wahr, fuhr in die Höhe und ergriff die Flucht. Dank Syphax, dem er buchstäblich in die Arme lief, kam er jedoch nicht weit.
»Das ist Syphax, mein Leibsklave. Er war es, der dich auf deinem Weg hierher beschattet hat.« Nicht der Typ, der mit Spott geizte, wartete Varro ab, bis Syphax den Präfekten gebändigt und an den Ort des Geschehens zurückbugsiert hatte. »Ach ja, wenn wir gerade dabei sind: Für einen Mann, der für andere die Drecksarbeit macht, hast du dich ziemlich ungeschickt angestellt. Oder was meinst du, Aspasia?«
»Das Gleiche wie du, Herr.«
Kurz davor, seinem Zorn freien Lauf zu lassen, stierte der Präfekt nach rechts, wo sich die Angesprochene aus dem Halbdunkel hervorbewegte und es sich nicht nehmen lieÃ, ihm zuzublinzeln. »Wer immer du bist«, giftete er den Anwalt an, »das wirst du bereuen, verlass dich drauf!«
»Wenn du dich da mal nicht irrst, Scorpio .«
»Woher weiÃt du, wie ich â¦Â«
»Eins nach dem anderen, nur Geduld!«, fuhr Varro dazwischen. »Wo waren wir eigentlich stehen ⦠genau, beim Tathergang. Wie gesagt: Mithilfe von Maximinus gelingt es dir, Niger hierher zu locken. Schlau eingefädelt, um mit deinen eigenen Worten zu reden. Der Lanista lotst den ahnungslosen Retiarius hierher, verwickelt ihn in ein Gespräch und lenkt ihn ab. Du, Scorpio, wartest auf den geeigneten Moment, pirschst dich unbemerkt heran und jagst ihm den Dolch zwischen die Rippen.«
»Hört sich an, als seist du dabei gewesen!«
»Ich nicht«, gab Varro seelenruhig zurück, »aber der junge Mann da!«
»Nie gesehen«, versicherte der Präfekt, als sich der Neuankömmling, schätzungsweise Ende 20, barfuà und mit zerzaustem Haar, zu Varro und den anderen gesellte. Er trug eine zerschlissene Tunika, ging gebeugt und zählte offenbar zu all jenen, die von der Hand in den Mund lebten. »Und überhaupt: Wer sagt dir, dass ich â¦Â«
»Du bist hier gewesen, Scorpio. Silvanus, eng befreundet mit einem meiner Informanten, kann es bezeugen.«
In Begleitung von Teiresias, der vor Stolz beinahe zu platzen schien, gab der Angesprochene ein zustimmendes Nicken von sich.
»Komisch, dass ich ihn nicht bemerkt habe.«
»Hätte es das Gezänk zwischen dem Lanista und Niger nicht gegeben, wäre Silvanus, der gezwungen war, im Kellergewölbe zu übernachten, gar nicht auf euch aufmerksam geworden. So aber wurde seine Neugier geweckt, weshalb er sich entschloss, nach dem Rechten zu sehen, über die Treppe ins Caldarium gelangte und Zeuge der erwähnten Auseinandersetzung wurde. Unnötig zu erwähnen, dass dies auch für die Ermordung von Niger gilt.« Ohne Scorpio eines Blickes zu würdigen, legte Varro eine Kunstpause ein. Dann fragte er: »Soweit alles korrekt, Silvanus?«
Der Bettler pflichtete dem Anwalt bei. »Ich hab gedacht, ich sehâ nicht richtig!«, ereiferte er sich, von dem, was sich am Vortag zugetragen hatte, zutiefst irritiert. »Erst kriegen sich die beiden in die Haare, und dann taucht auf einmal der Kerl
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