Die Stunde der Gladiatoren
Hauseingängen und Werkstätten, an denen in Treveris kein Mangel herrschte. In Höhe des Forums, welches ebenfalls im Dunkel lag, begann es zu tröpfeln, doch auch das nahm Scorpio kaum wahr. Vergessen war sein Vorhaben, abhandengekommen auch der Argwohn, der ihm zur zweiten Haut geworden war. Für ihn, dem nach Sinnesgenuss Lechzenden, gab es nur noch eins: das Verlangen, welches ihn erfüllte, zu stillen.
»Wo bleibst du denn, du bist doch nicht etwa müde, oder?« Nach etwa einer Viertelstunde FuÃmarsch wähnte sich der Präfekt am Ziel. Die Unbekannte lehnte an einer Mauer und hielt die Hand schützend über die Ãllampe. Scorpios Verlangen stieg ins Unermessliche. Wäre sie eines der Schankmädchen gewesen, mit denen er sich sonst vergnügte, hätte es für den Präfekten jetzt kein Halten mehr gegeben. So aber, im Angesicht dieser Venus, die er nicht einmal nach dem Namen gefragt hatte, blieb er einfach stehen, stumm, willenlos â und vor allem arglos.
Nicht etwa, dass Scorpio die Orientierung verloren hatte. Er wusste genau, wo er sich befand, was sich an diesem Ort zugetragen und wessen Leichnam er hier, eine Viertelmeile vom Markt entfernt, versteckt hatte. Allein, auch dies störte ihn nicht. Jetzt, so kurz vor dem ersehnten Ziel, zählte nur noch eines, und es war Zeitverschwendung, auch nur ein weiteres Wort mit der Unbekannten zu wechseln.
Denn diese, so schien es, wusste auch so, wonach ihm der Sinn stand. Den Absatz an der Ziegelmauer, welche hinter ihr aufragte, warf sie ihm eindeutige Blicke zu. Winkte ihn zu sich, schob ihr Gewand in die Höhe und blies die Ãllampe aus, die sie, Musterbeispiel an Verruchtheit, zwischen Daumen und Zeigefinger hielt.
Sich am Ziel wähnend, pirschte sich Scorpio an die Hetäre heran. Der Regen fiel in dicken Tropfen, und von irgendwo, nur einen Steinwurf entfernt, drang das Geräusch gedämpfter Stimmen an sein Ohr. Aber auch das, wie der einsetzende Regen, zählte jetzt nicht mehr. Der Präfekt wollte jetzt nur noch eins, und es schien, als stünde ihm die Unbekannte in nichts nach.
Doch der Schein trog.
Drauf und dran, die Frau an sich zu reiÃen, griff Scorpio ins Leere.
Und prallte verblüfft zurück.
Die Fremde, nach der er sich verzehrt hatte, war verschwunden.
Dies war der Moment, in dem der Präfekt zur Besinnung kam. Kaum wieder bei Verstand, wurde Scorpio von blinder Wut gepackt, im Begriff, blindlings in die Falle zu tappen. Da! Schon wieder ein Geräusch. Zum Greifen nah, auf der anderen Seite der Mauer. Dort, wo das Baugelände der neuen Thermen lag. Wild entschlossen, der Fremden einen Denkzettel zu verpassen, wirbelte Scorpio herum. Verdammt! Irgendwo in der Nähe musste der Eingang sein.
Nicht lange, und der verhinderte Liebhaber wurde fündig. Nur wenige Schritte von dem Punkt, an dem sich seine Träume in Luft aufgelöst hatten, befand sich ein Tor. Ein Tor mit einer schmiedeeisernen Pforte.
Eine Pforte, die sperrangelweit offenstand.
Blind vor Wut zückte Scorpio seinen Dolch, durchquerte den Eingang und schlug das Tor hinter sich zu. Irgendwo auf dem Areal, an dessen Ostseite sich die Umrisse der im Bau befindlichen Thermenanlage abhoben, musste das Luder stecken.
Beim Hades, so hatten sie nicht gewettet.
Ohne Rücksicht auf die WindstöÃe, welche über die Palästra fegten, Haufen mit Bauschutt durcheinanderwirbelten und sogar Dachziegel von den bereitliegenden Stapeln rissen, stürmte der Präfekt über das ausgedehnte Areal, den Dolch in der Faust. Aus dem Schauer, den er kaum wahrgenommen hatte, war ein Sturzregen geworden, so heftig, dass sich die Böen wie GeiÃelhiebe anfühlten. Aber auch das focht den Mann, der Niger auf dem Gewissen hatte, nicht an. Wie immer, wenn sein Jähzorn geweckt wurde, gab es kein Zurück mehr für ihn. Es gab weder Blitz, noch Donnergrollen, noch die eisigen Hagelkörner, noch die wie entfesselt tobenden Elemente, welche die Palästra binnen Kurzem in eine Schlammwüste verwandelten. Es gab kein Halten mehr, auch wenn demnächst die Welt untergehen würde.
Er würde sich holen, was ihm zustand. Jetzt gleich. Und dann, wenn er mit der Schlampe fertig war, würde er ihr eine Lektion erteilen.
Und zwar so, dass sie für immer entstellt sein würde.
AuÃer sich vor Zorn, warf Scorpio einen Blick in die Runde. Unter den Kolonnaden, welche die Palästra
Weitere Kostenlose Bücher