Die Stunde Der Jaeger
Werwolf anders aus. Früher aà ich überhaupt nicht viel Fleisch. Ich war der Typ Mensch, der in ein Steakhouse ging und sich einen Salat bestellte. Doch als ich, nachdem ich angefallen worden war, aufwachte und mein erstes Steak erblickte, so englisch, dass es überall blutete â da hätte ich das Ding in einem Stück hinunterschlingen können. Doch bei dem Gedanken wurde mir ganz schlecht. Es war so eigenartig gewesen, dass mir gleichzeitig hungrig und übel zumute war. Beinahe wäre ich in Tränen ausgebrochen, weil mir klar wurde, dass ich mich verändert hatte, bis ins Mark, und dass mein Leben nie mehr so wie früher sein würde.
Was würde Ben tun?
Einen Augenblick später griff er nach Messer und Gabel und zerschnitt das Fleisch seelenruhig, schob sich gelassen einen Bissen in den Mund, und kaute und schluckte ihn immer noch ruhig hinunter. Als wäre alles in bester Ordnung.
Es hätte sich genauso gut um eine vollkommen normale Mahlzeit handeln können. Drei normale Leute, die ihr
normales Essen verspeisten â mal abgesehen von der nervenaufreibenden Anspannung, die das Schweigen zur Tortur werden lieÃ. Bei dem kratzenden Geräusch der Messer auf den Tellern krümmte ich mich innerlich.
Nachdem Ben das halbe Steak gegessen hatte, hielt er inne und legte Messer und Gabel an den Tellerrand. Ohne den Blick zu heben, fragte er: »Wie lange noch?«
»Wie lange noch bis was?«, stellte ich mich absichtlich dumm. Ich wusste ganz genau, wovon er redete.
Er sprach beinahe im Flüsterton. »Wie lange noch bis Vollmond?«
»Vier Tage«, sagte ich ebenso gedämpft.
»Nicht lang.«
»Nein.«
»Ich schaffe das nicht«, sagte er ohne jegliche Gefühlsregung. Lediglich eine nüchterne Feststellung.
Er machte die Sache nicht einfach. Ich wusste selbst nicht, was ich anderes erwartet hatte. Er hatte sich schlieÃlich eine chronische Krankheit zugezogen und nicht im Lotto gewonnen. Ben hatte Erfahrung mit dem Ãbernatürlichen. Folglich ging er die Sache mit weit geöffneten Augen an. Er hatte mit angesehen, wie ein Werwolf seine Gestalt verwandelte â zumindest auf Video. Er wusste ganz genau, was mit ihm geschah, sobald der Vollmond aufging.
»Das sagen alle.« In meine Stimme schlich sich Frustration. »Aber du schaffst es. Wenn ich es schaffe, dann kannst du es auch.«
»Cormac?«, sagte Ben mit einem Blick auf seinen Cousin.
»Nein«, sagte der Jäger. »Ich habe es da nicht getan, und
jetzt werde ich es auch nicht tun. Norville hat recht, das ist nicht der richtige Weg.«
Ben starrte ihn einen Augenblick an. »Ich schwöre bei Gott, dass ich niemals geglaubt hätte, so etwas einmal aus deinem Mund zu hören.« Cormac sah weg, doch Ben fuhr fort: »Dein Vater hätte es ohne zu zögern getan. Zum Teufel, was wäre gewesen, wenn er überlebt hätte? Du weiÃt ganz genau, dass er sich erschossen hätte.«
An dieser Stelle setzte mein Hirn komplett aus. Wie gewöhnlich machte mein Mundwerk an der Stelle weiter, an der mich mein Verstand im Stich lieÃ. »Wow, Moment mal! Cormac â dein Vater. Dein Vater ist von einem Werwolf umgebracht worden? Will er das damit sagen?«
Wir drei lieferten uns ein Blickduell: Cormac starrte Ben wütend an, Ben starrte wütend zurück, und ich lieà ebenso wütend meinen Blick zwischen den beiden hin- und herschweifen. Niemand sagte etwas, bis Cormac mit kühler, steinerner Stimme sprach.
»Du weiÃt, wo sich meine Waffen befinden. Wenn du es willst, dann erledige es gefälligst selbst.«
Er ging aus der Küche, zur Haustür, dann nach drauÃen in die Nacht hinaus, wobei er krachend die Tür hinter sich zuschlug.
Ben sah ihm nach. Am liebsten hätte ich laut geschrien, weil er noch immer nichts sagte.
»Ben?«
Er fing wieder zu essen an, zerschnitt das Fleisch systematisch, kaute und schluckte, ohne den Blick vom Teller zu nehmen.
Mir hingegen war der Appetit vergangen. Ich schob meinen
Teller weg und suchte Trost darin, dass Ben sich wahrscheinlich nicht umbringen würde, wenn er aÃ. Jedenfalls nicht in diesem Augenblick.
Nach dem Abendessen legte Ben sich wieder ins Bett und verlor erneut das Bewusstsein. Er war immer noch krank, benötigte immer noch Zeit zu genesen. Vielleicht wollte er sich den Dingen aber auch einfach nur nicht stellen. Ich bohrte nicht nach. Da
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