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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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hergingen. Zwei barfüßige Naturfanatiker bei einem morgendlichen Spaziergang mitten im Winter. Mir war nicht kalt; es fühlte sich immer noch an, als habe er die Arme um mich gelegt. »Eine Zeit lang bist du ziemlich fest entschlossen gewesen.«
    Â»Ich hatte Angst«, sagte er. Kurz darauf fügte er hinzu: »Wird es leichter? Weniger verwirrend? Weniger so, als sei da eine zusätzliche Stimme in deinem Kopf, die dir Befehle erteilt?«

    Ich musste den Kopf schütteln. »Nein. Es wird lediglich auf andere Art und Weise verwirrend.«
    Dann lichteten sich, beinahe überraschend, die Bäume, und der Platz vor der Hütte tat sich vor uns auf. Die Sonne schien direkt auf die Veranda. Cormac stand dort am Geländer. Neben ihm lehnte ein Gewehr. Bereit und auf der Lauer.
    Ich blieb stehen, Ben neben mir. Mein Instinkt riet mir wegzulaufen, doch Cormac hatte uns bereits gesehen. Er rührte sich nicht, sondern sah uns nur entgegen und wartete ab.
    Cormac hatte schon etliche Gelegenheiten gehabt, mich zu erschießen, und hatte es noch nicht getan. Ich ging nicht davon aus, dass er jetzt damit anfinge. Jedenfalls hoffte ich das. Ich ging auf die Eingangstür zu, als wäre alles in bester Ordnung. Ben folgte mir, langsam, fiel zurück. Cormac beobachtete ihn, nicht mich.
    Â»Morgen«, sagte ich und winkte kurz, als ich in Hörweite kam. Ich versuchte, fröhlich zu klingen, doch es klang argwöhnisch.
    Â»Und?«
    Ich stieg die Stufen empor, verschränkte die Arme und übte mich weiter in aufgesetzter Heiterkeit. »Nun, es ist ein schöner Tag. Viel Sonne. Alles ist prima.«
    Mittlerweile hatte Ben die Verandastufen erreicht. Cormacs wütendes Starren stellte eine Herausforderung dar, doch das konnte er nicht wissen.
    Ben zögerte – ich konnte beinahe sehen, wie er anfing schlappzumachen, wie er eine abwehrende Haltung einnahm.

    Â»Ben?«, sagte ich. Er ließ den Blick zu mir wandern, und die Konfrontation war beendet.
    Â»Geht es dir gut?«, fragte Cormac ihn.
    Nach einer kurzen Pause sagte er: »Ja. Prima.« Er klang eher resigniert als überzeugt.
    Â»Dich zu erschießen steht also nicht mehr zur Debatte.« »Nein.«
    Ich hatte keine Ahnung, was Cormac erwartet hatte. Vielleicht hatte er die ganze Nacht damit zugebracht, sich darauf vorzubereiten, kaltblütig seinen Cousin umzubringen, und jetzt hatte es den Anschein, als glaube er nicht ganz, dass Ben sich dagegen entschieden hatte. Sein Gesichtsausdruck war neutral, nicht zu deuten, wie immer.
    Â»Was ist passiert?«
    Ben neigte den Kopf, um ein Lächeln zu verbergen. »Das ist schwer zu erklären.«
    Â»Du siehst aus, als hättest du dich ziemlich gut amüsiert«, sagte Cormac.
    Â»Vielleicht habe ich das.« Ben starrte ihn an. Er sah tatsächlich ziemlich gut aus unter den gegebenen Umständen: müde, aber entspannt. Nicht außer sich, wie Cormac vielleicht erwartet hatte. Seitdem Cormac seinen Cousin hergebracht hatte, hatte Ben nie besser ausgesehen.
    Ich für meinen Teil hatte das Gefühl, mein Gesicht sei feuerwehrautorot angelaufen. O ja, die menschliche Kitty war wieder da. Die Wölfin errötete niemals.
    Cormac starrte, als könne er durch Ben hindurchsehen, ihn mit seinem Röntgenblick durchleuchten. Cormac gehörte zu der Sorte Mensch, die nicht gerne die Kontrolle verlor, die es nicht mochte, wenn sie nicht über alles Bescheid
wusste. Ben war an einen Ort gereist, der ihm verwehrt war. Cormac wollte wissen, was seinem Cousin im Laufe der letzten zwölf Stunden widerfahren war – das war alles. Doch Ben konnte es ihm nicht sagen. Er konnte es nicht erklären – und ich auch nicht. Diese Realität war Teil des Wolfdaseins, nichtmenschlich und unsagbar.
    Ben sackte unter dem drängenden Blick in sich zusammen. Mit hochgezogenen Schultern ging er in die Hütte und knallte die Tür hinter sich zu. So blieben Cormac und ich allein auf der Veranda zurück.
    Ich wollte Cormac sagen, er solle Ben in Ruhe lassen. Er konnte es auf keinen Fall begreifen, egal wie sehr er ihn anstarrte. Bevor mir einfiel, wie ich es formulieren konnte, ohne dass er sauer auf mich wurde, ergriff er das Wort.
    Â»Du hattest Recht damit, dass er seine Meinung ändern würde. Ich war mir da wirklich nicht sicher. Aber du hast es gewusst.«
    Eigentlich hatte ich es lediglich gehofft. Ich ließ Cormac jedoch in dem

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