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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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doch es gab Menschen, die ich um Hilfe rufen konnte. Menschen, die mir beistünden, sollte ich mitten in der Nacht vor ihrer Tür auftauchen. Ben stand fast ganz oben auf dieser Liste. Ja, er war mein Anwalt, und letztendlich bezahlte ich ihn dafür, dass er für mich da war. Doch er war mit dem übernatürlichen Wahnsinn in meinem Leben umgegangen, ohne mit der Wimper zu zucken, und meiner Meinung nach ging das weit über seine Pflichten hinaus. Er hätte unsere geschäftliche Beziehung jederzeit aufkündigen können, hatte es aber nicht getan. Ich konnte auf ihn zählen, und das machte ihn zu einem Teil des Rudels.
    Ich schlief nicht gut, erwachte vor Tagesanbruch. In mir war eine Unruhe – auf jeden Fall wollte ich vor Ben aufwachen. Ich musste mich um ihn kümmern.
    Als die Sonne aufging, betrachtete ich ihn. Ich rollte mich auf der Seite zusammen, den Kopf auf meinen angewinkelten Arm gebettet, bloß einen Atemzug von ihm entfernt – nahe genug, um ihn zu berühren. Selbst im Schlaf war sein Gesicht angespannt und voller Sorgenfalten. Er
hatte eine anstrengende Nacht hinter sich; der Beweis hatte sich in seine Miene gegraben. Wieder in Menschengestalt lag er auf dem Rücken, einen Arm auf dem Bauch, den anderen nach oben angewinkelt, die Hand an seiner Schulter eingerollt. Ein Bein war abgeknickt, der Fuß steckte unter dem Knie des anderen Beines.
    Er war von durchschnittlicher Statur. Zwar trainierte er nicht, aber er war auch nicht verweichlicht; es war, als sei er als Kind spindeldürr gewesen und jetzt erst dabei, zuzulegen und sein Normalgewicht zu erreichen. Ein Streifen Haare wuchs ihm das Brustbein hinab. Die Kopfhaare waren immer noch schweißnass und standen zerzaust und wild ab. Ich unterdrückte das Verlangen, mit den Fingern hindurchzustreichen und sie zu glätten. Schließlich wollte ich ihn nicht aufschrecken.
    Die Bisswunden an seinem Arm und der Schulter waren vollständig verheilt, als seien sie nie da gewesen.
    Beinahe wäre ich selbst wieder eingedöst, während ich auf sein Erwachen wartete. Da änderte sich seine langsame, gleichmäßige Atmung. Seine Lungen füllten sich tief, wie ein Blasebalg. Er schlug ruckartig die Augen auf und zuckte am ganzen Körper, als würden sich sämtliche Muskeln gleichzeitig anspannen.
    Er keuchte – ein abrupt abgeschnittener Laut der Angst – und versuchte aufzustehen, versuchte zurückzukriechen, als könne er dem entkommen, was immer ihm Angst eingejagt hatte. Seine Glieder gaben nach, und er bewegte sich nicht vom Fleck.
    Ich machte einen Satz und packte ihn an den Schultern, wobei ich ihn zu Boden stieß. Ich musste mich mit meinem
ganzen Gewicht auf ihn lehnen – seine durchschnittliche Statur erwies sich als ziemlich kräftig!
    Â»Ben! Ruhig, alles in Ordnung, alles in Ordnung, Ben. Bitte beruhige dich.«
    Zwar wurde er relativ schnell still, doch ich sprach weiter besänftigend auf ihn ein, bis er wieder flach dalag, mit geschlossenen Augen und keuchend nach Atem ringend. Ich kniete neben ihm, die Hände weiter auf seiner Brust, sorgte dafür, dass er sich nicht rührte, und musterte forschend sein Gesicht nach einer Reaktion.
    Kurz darauf ging sein Atem schon langsamer. Er hob einen Arm, bedeckte sich die Augen und fuhr sich dann schwerfällig mit der Hand über die Stirn. »Ich kann mich erinnern«, sagte er mit müder, steifer Stimme. »Ich kann mich an die Gerüche erinnern. Das Laufen. Blut …« Seine Stimme klang angespannt, überschlug sich.
    Â»Sch.« Da ich neben ihm lag, konnte ich mein Gesicht nahe an seines neigen, ihm die Haare zurückstreichen, seinen Geruch einatmen, ihn mich riechen, ihn wissen lassen, dass dieser Geruch Sicherheit bedeutete. »Wir sind in Sicherheit, Ben. Alles in Ordnung.«
    Â»Kitty …« Er sagte meinen Namen mit einem verzweifelten Keuchen, klammerte sich dann an mich, hielt mich am Arm und an der Schulter fest und knetete mir schmerzhaft Haut und Muskeln. Ich erduldete es und erwiderte seine Umarmung, so gut ich konnte. Er war so warm in der eiskalten Winterluft; einander zu halten vertrieb die Kälte.
    Ich küsste den Haaransatz neben seinem Ohr und sagte: »Du bist wieder da. Zwei Arme, zwei Beine, Menschenhaut. Du bist wieder da. Spürst du es?«

    Er nickte, was mich hoffen ließ, weil es bedeutete, dass er mir zuhörte.
    Â»Der Wolf ist fort, er wird

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