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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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Ein fest verschnürtes Bündel aus einer getrockneten Pflanze. Es roch nach Salbei und war etwa so lang wie meine Hand und so dick wie mein Daumen. Er trat zu jedem von uns in dem Kreis, bis alle ein Bündel hatten.
    Was wir damit machen sollten, würde er uns wohl noch sagen. Ich gab mir Mühe, mir mit dem Ding in der Hand nicht allzu albern vorzukommen. Alice hielt ihr Bündel mit beiden Händen umklammert, drückte es sich an die Brust,
in der Nähe ihres Herzens, und hatte die Augen geschlossen.
    Dann griff Tony nach dem Besen und fing an, den Dreck vor der Veranda wegzukehren. Langsam fegte er um unseren Kreis herum, im Uhrzeigersinn.
    Eine Eule rief. Es war kein ruhiges, willkürliches Schreien, das tiefe, dumpfe Flüstern, das ich bei Tonys erstem Besuch hier gehört hatte. Das hier war gehetzt, dringlich – ein Warnschrei, schnell und immer höher. Äste raschelten – man hörte keinen Flügelschlag, doch der nächste Eulenruf erklang vom Dach der Hütte, über der Stelle, wo Tony stand. Ich konnte den Vogel noch immer nicht sehen. Er verbarg sich gut im Schatten, oder meine Augen funktionierten nicht richtig.
    Tony sah sich suchend um.
    Etwas stimmte nicht. Ich hätte schwören können, dass ich nichts gehört, dass ich keinen Geruch in der Luft bemerkt hatte; allerdings mochte der Duft nach Kräutern und Kerzen alles andere überlagert haben. Dennoch lief mir ein allzu vertrauter Schauder den Rücken hinunter. Das Gefühl, dass jemand in mein Revier eingedrungen war.
    Es war da draußen. So angespannt, dass ich beinahe zitterte, spähte ich in die Bäume, jenseits des Kerzenscheins.
    Â»Was ist los?«, hauchte Ben. Er hatte sich bewegt – wir beide hatten uns bewegt und standen nun ein Stück von den anderen entfernt, Rücken an Rücken, und sahen uns um, auf Gefahr eingestellt. Es war mir nicht aufgefallen, weil es so reibungslos verlaufen war, instinktiv, ohne Aufforderung. Selbst unser kleines Rudel bildete einen Kreis gegen die geheimnisvolle Gefahr, die dort draußen lauerte.

    Es trieb mich in den Wahnsinn. Wieder war es wie an den Morgen, als ich die Kaninchen und Hunde gefunden hatte. Wenn etwas hinter mir her war, warum konnte es sich dann nicht einfach zeigen, damit ich ihm die Stirn bieten konnte?
    Ben packte mich an der Hand und nickte zu einer Stelle nördlich des Kreises. Der Himmel war mittlerweile beinahe schwarz, und die Bäume waren in der Dunkelheit nicht mehr zu sehen.
    Rote Augen starrten uns an. Punkte glühender Kohle, etwa in der Höhe eines großen Wolfes. Ich bildete es mir also nicht nur ein.
    Â»Ist es das gewesen, was du in New Mexico gesehen hast?«, flüsterte ich.
    Â»Ich habe es nie richtig zu Gesicht bekommen.« Seine Stimme zitterte, nur ein ganz klein wenig.
    Die anderen blickten in die Richtung, in die wir starrten.
    Â»Himmel …« Das kam wohl von Joe.
    Â»Keiner rührt sich«, sagte Tony, der nicht mehr ganz so gelassen klang.
    Â»Es ist kein Wolf«, sagte ich. »Es riecht nicht wie ein Wolf.«
    Â»Es riecht wie der Tod«, sagte Ben, und er hatte recht. Die glühende Kohle erlosch einen Augenblick – Blinzeln. Die Augen blinzelten uns zu.
    Â»O Gott …«, sagte Alice, deren Stimme hoch geworden war, wie die eines kleinen Mädchens.
    Tony sagte: »Alice, bleiben Sie, wo Sie sind. Nicht weglaufen!«
    Zu spät. Sie wich zurück. Ihre Schritte schleiften unbeholfen
über den Boden. Dann drehte sie sich um und rannte mit rudernden Armen los. Nicht zu den Autos, nicht zur Hütte, wo sie in Sicherheit gewesen wäre. Sie rannte blind in die Dunkelheit, nur von ihrer Panik geleitet.
    Genau das wollte das Monster.
    Â»Nein!«, rief Tony.
    Â»Joe, hol dein Gewehr!«, schrie Marks.
    Der Wolf schoss wie eine Rakete aus dem Dunkel.
    Meine Sinneswahrnehmung brach zusammen. Es war kein Wolf. Es roch nicht richtig, nichts daran stimmte. Doch es hatte vier Beine, eine lange Schnauze, einen geschmeidigen Körper mit einem Schwanz, der gerade wie ein Ruder nach hinten wegstand. Sein Fell glänzte kohlrabenschwarz, und seine Augen glühten rot. Zornesrot.
    Ich schnitt ihm den Weg ab.
    Es rannte geradewegs hinter Alice her, klammerte sich an ihre Angst und erkor sie zur Beute aus. Bewegung zog Aufmerksamkeit auf sich. Das wusste ich selbst. Ich dachte nicht darüber nach – ich wusste bloß, dass ich dem Monster mehr

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