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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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er Schmerzen. Sie wagte sich die Treppe nicht weiter hinunter, und helfen konnte sie ihm auch nicht. » Ora pro nobis peccatoribus, nunc et in hora mortis nostrae …«
    Etwas konnte sie doch für ihn tun. Vorsichtig hob sie die Hand. Der Mann wirkte ganz klein gegen ihre Hand, und als sie sie über ihn deckte, verschwand er sogar dahinter. Sie spielte weiter mit ihrer Hand, krümmte die Finger und umfasste ihn damit über die Entfernung. Wärme durchdrang sie, entfloss ihr schließlich und flog wie ein kleiner dunkler Vogel zu dem Mann. Sie lächelte ihm hinterher. Wenn niemand sie dabei erwischte, half das immer.
    »Bist du denn närrisch, Kind?«, raunte da hinter ihr Katalin. »Du wirst dir hier draußen den Tod holen, vor allem, wenn diese Barbaren dich entdecken! Komm sofort zurück in die Kammer …« In drei Decken gehüllt, deren Enden schwer über die Stufen schleiften, schlich die Amme zu Christina herab und packte sie am Arm. »Komm, Kind, bevor einer von denen erwacht, komm …«
    »Wo ist der König?«, flüsterte Christina, die mit dem Betrachten der Männer noch lange nicht fertig war. Katalin hatte auch nicht gemerkt, was sie gerade getan hatte. »Welcher von denen ist es? Und warum haben sie sich gestritten? Hast du den Krach gehört, Katalin?«
    »Der König vergnügt sich mit einer Magd in seiner Kammer. Nachdem er deiner Schwester schöne Augen gemacht hat.« Katalins Stimme klang ärgerlich. Sie hatten nur über den stotternden König und Margarets Lächeln gelacht …
    »Er ist ein Barbar. Und ich weiß nicht, warum die anderen Barbaren sich gestritten haben, von mir aus können sie sich die Köpfe einschlagen, solange sie uns Frauen nur in Ruhe lassen. Komm jetzt, rasch weg von hier, bevor einer von ihnen wach wird und dich bemerkt …« Ungeduldig rüttelte sie sie an der Schulter. »Komm jetzt.«
    Christina warf einen letzten Blick über die Krieger in der Halle. Dann steckte sie die Hand, die den kleinen Vogel ausgesandt hatte, unter den Arm, wo es warm und geborgen war und niemand dumm fragen würde.
    Das Stöhnen des Mannes an der Wand war verklungen.
    Am nächsten Morgen lebte der Verwundete aus der Nacht noch.
    Er jammerte zwischen den Fellen, und Männer standen dicht gedrängt um ihn herum, während eine Dienstmagd blutige Lumpen gegen etwas trockenere Lumpen austauschte. Christina schlich näher und erkannte einen jungen Ritter, den sie in Edgars Kreisen schon einmal gesehen hatte. Er wirkte nicht mehr so ruhig wie in der Nacht, aber er war auch nicht tot, stellte sie befriedigt fest. Und sicher hätte man auch einen Heilkundigen oder den Priester geholt, wenn er lebensbedrohlich verletzt gewesen wäre. So wäre es zumindest in London gewesen. Hier gab es wohl keinen Priester …
    »Der hätte halt die Klappe nicht so weit aufreißen sollen«, bemerkte ein Bärtiger mit Glatze und belästigte die Dienstmagd mit seinem Fuß am Gesäß.
    »Eurer hatte die Waffe auf sein Herz gerichtet.« Einer der Angelsachsen hob gestikulierend den Zeigefinger. »Das gehört sich nicht, kein angelsächsischer Ritter würde je wagen, seinen Gastgeber anzugreifen und …«
    »Ruaidrí wollte ihn nicht töten!«, fuhr der Bärtige hoch. Sein Fuß zuckte aus den Röcken hervor, die Magd kippte japsend um. »Ihr wollt wohl nicht behaupten, dass unser Mann einen Gast hat töten wollen, Ihr wollt wohl …«
    »Nein, nein, gewiss nicht«, beeilte Edwin von Mercia sich zu versichern und schob sich zwischen die Kontrahenten, indem er das Mädchen mit dem Fuß beiseitetrat. »Gewiss war alles ein Missverständnis, der junge Robert weiß sich zu benehmen, er kommt aus gutem Haus …«
    »Man sagt eben besser nicht so laut, dass der schottische König ein Schlappschwanz ist, meine Herren«, dröhnte da eine Stimme. Christina drückte sich gegen eine Steinsäule. Der König war unbemerkt dazugetreten – um zu vermitteln oder um zu strafen? Hatte der junge Ritter es tatsächlich gewagt, ihn einen Schlappschwanz zu nennen? Diesen grauhaarigen Riesen? Was für einen König würde sie hier erleben?
    Malcolm schien die Beleidigung nicht so ernst zu nehmen wie den nächtlichen Kampf, der seine Burgruhe gestört hatte. Seinen Schlaf hatte der Kampf offenbar weniger gestört, dafür hatte schon die Magd gesorgt. In seiner Ansprache ging es auch um etwas anderes.
    »An meinem Hof kann jeder frei sprechen, so wie auch jeder Zuflucht suchen kann. Jedermann weiß, dass ich Flüchtlingen einen sicheren Ort biete. Wir sind hier

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