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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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beichten?«
    »Ja, unbedingt. Ich möchte doch zu gerne wissen, was er dir eigentlich sagen wollte …«
    »Meinst du, er wollte mir etwas sagen? Er hat nicht den Eindruck gemacht …«
    »Ja, weil du ihn zu viel angelächelt hast.«
    Sie kicherten über die Erinnerung in die Felle hinein.
    Drüben in der Halle wurde es laut. Offenbar schlief man dort doch noch nicht. Sie setzten sich auf, hielten einander bei den Händen. Durch die Holzwände hörte man, dass Männer erbittert aufeinander einsprachen, stritten, sich schließlich anbrüllten. Dann klirrte Metall, jemand schrie. Der Tumult nahm an Lautstärke zu, man hörte Fußgetrappel, Rufe. Ein markerschütternder Schrei. Dann wurde es leiser, die Schreie gingen in Geheule über.
    »Was geht dort vor?«, wisperte Christina. Jegliches Lachen war ihnen vergangen, der Zauber zweier Mädchen beim Geheimnisaustausch war verflogen. Heimatlos, schutzlos, donnerte es in Christinas Ohren. Heimatlos, schutzlos. Und der schrille Ton war wieder da.
    Margaret lag erstarrt in ihrer Decke.
    »Christina. Was auch geschieht – bleib bei mir. Versprichst du mir das?« Ihre Stimme zitterte, Gott allein wusste, welche düstere Ahnung er ihr mit dem Lärm da unten geschickt haben mochte. Christina küsste sie sanft, obwohl sie selbst vor Furcht zitterte.
    »Ich verspreche es dir. Ich will immer bei dir sein. So lange du willst, Magga.«
    »Danke«, hauchte Margaret. »Gott steh uns bei …«

ZWEITES KAPITEL
    Denn wo viel Weisheit ist,
    da ist viel Grämens;
    und wer viel lernt, der muss viel leiden.
    (Prediger Salomo 1,18)
    W ieder floh sie der Schlaf.
    Wieder lag Christina wach, umgeben von den ruhigen Atemzügen der anderen. Unten in der Halle war es still, nachdem sie noch lange gesprochen hatten. Lag der Tote einfach bei ihnen? Oder hatten sie ihn hinausgeschafft? Wie sah es da unten überhaupt aus? Man hatte die Frauen nach der Ankunft mit trockenen Kleidern versorgt und ihnen ein warmes Essen neben die Feuerschale in der Kammer gestellt, damit sie sich unbelästigt von den Strapazen ausruhen konnten. Aber was war in der Halle geschehen?
    Unruhe und Neugier wurden allmählich übermächtig, und so kroch sie ganz leise und vorsichtig aus den Fellen, zog sich ihr Leinenhemd über den Kopf und schlich zur Tür. Niemand erwachte, niemand folgte ihr. Selbst die Stiege war ihr gewogen und knarrte kaum, als sie dicht am Holzgeländer entlangkletterte, die Feuerstelle unten im Blick, wo in Decken gewickelt Männer lagen und schliefen. Auf einer der untersten Stufen machte sie Halt und ließ den Blick durch die Halle schweifen. Weitergehen war zu gefährlich. Aber wo war der Tote? Sie wollte doch nur wissen, ob sie mit einem Toten unter einem Dach …
    Der Mann stöhnte. Er war also nicht tot. Sie kauerte sich an das Geländer. Und schaute sich neugierig in der Halle um, wo sie schon mal da war.
    Die Feuerstelle rauchte, man benutzte hier Torf und nicht Holz, wie sie es von London gewöhnt war. Der Torfrauch reizte zum Husten und färbte die Wände dunkel, daran konnten nicht einmal die Fackeln etwas ändern. Düster war diese Halle – so düster wie die Männer, die auf dem Boden lagen und schliefen. Und überall schimmerte Metall – Waffen, wohin man auch schaute. An den Wänden, auf dem Boden, niemand trennte sich von seinem Schwert. Vielleicht waren selbst ihre Kreuze aus Metall. Wenn sie überhaupt Kreuze hatten. Katalin hatte gesagt, Barbaren hätten keine Kreuze. Sie kniff die Augen zusammen, um mehr von den bärtigen Gesichtern zu erkennen. Kreuze – danach sahen diese Männer wirklich nicht aus. Was für ein grässlicher Ort …
    Christina umschlang ihre Knie mit beiden Armen. Hier wollte sie nicht bleiben. Edgar musste einen anderen Platz für sie finden, das konnte doch nicht so schwer sein. Gleich morgen früh würde sie ihm sagen, dass er für Margaret und sie einen sauberen, anständigen Ort finden musste – ein Kloster würde es in diesem Lothian doch wohl geben.
    » Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum; benedicta tu in mulieribus …«, hörte sie da den Verletzten an der Wand wispern. Sie hatten ihn einfach so liegen gelassen.
    » Sancta Maria, Mater Dei«, flüsterte Christina für ihn, es konnte ja nicht schaden, unabhängig davon, wer er war und warum er leiden musste. »Ora pro nobis peccatoribus, nunc et in hora mortis nostrae …« Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber die Fackel an der Wand verriet, dass seine Kleider rot vom Blut waren. Sicher litt

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