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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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in Schottland, im freien, unabhängigen Schottland. Und nicht in London, wo selbst die Tischordnung beim Frühmahl festgelegt ist. Mein Schottland ist frei und gewährt jedem einen Platz am Feuer – das sei allen versprochen. Aber Schlappschwänze, meine Herren, Schlappschwänze gibt es in meinem Schottland nicht. Weder von schottischem noch von angelsächsischem Blut.«
    Ernst schaute er in die Runde, betrachtete die Wirkung seiner gewaltigen Rede. Sein graues Haar zauste sich kreuz und quer über den runden Schädel, vom Kämmen schien er nicht viel zu halten. Auch der Bart war eine Spur zu ungepflegt, wie es vorkam, wenn Männer vom Schlachtfeld zurückkehrten, wo ihnen niemand die Haare wusch und sich um ihren Bart kümmerte. Oder wenn sie auf zugigen Burgen hausten, wo es den Weibern gleichgültig war, wie die Männer aussahen …
    »Hört meine Entscheidung. Beide wird meine Strafe treffen. Unser Mann Ruaidrí sitzt für drei Tage nackt auf dem Turm, um uns mit seinem roten Schwanz vor normannischen Reitern zu warnen. Und Euer junger Freund schwitzt ein bisschen im Fieber. Beide können uns nun beweisen, dass es in Schottland keine Schlappschwänze gibt.« Die Männer scharrten mit den Füßen und murmelten Zustimmung oder etwas, was danach klang. In Christinas Ohren klang es vor allem nach Beschwichtigung.
    Ganz sicher aber war es in der Nacht um noch viel mehr gegangen, die Stimmung in der Halle fühlte sich immer noch gereizt an. Doch Christina verstand nichts von Politik und weshalb es für Edgar so überaus wichtig gewesen war, ausgerechnet am Hof des Schotten aufgenommen zu werden, nachdem er Wilhelm so deutlich den Rücken gekehrt hatte. Die Mutter hatte sich noch gestern Abend in der Kammer vor allen anderen für eine Abreise nach Flandern ausgesprochen, das Wetter dort sei besser, ebenso die Manieren, das Essen und vieles andere auch, und vielleicht würde man von dort aus in die ungarische Heimat zurückkehren können …
    Geduckt schlich sie um die Säule herum und wollte den Rückzug antreten, dorthin, woher sie kam: in die miefenden, düsteren Frauenkammern, wo sich keifende Dienstbotinnen gegenseitig beschimpften, ohne dass man sie verstand, und wo es nach fettiger Spinnwolle roch. Sie kam nicht weit. Der König stand im Weg.
    » Hlæfdige , diese Halle ist wohl nicht der rechte Platz für Euch. Lasst Euch den Weg zu den Frauengemächern zeigen …«
    »Da war ich, a rìgh .« Christina wunderte sich über den Mut, mit dem sie antwortete und Malcolms breite, mit einem üppigen Wolltuch verhängte Brust betrachtete. Die befand sich genau vor ihrer Nase und stank nach Schweiß, ungelüfteten Kleidern und nach Pferd – dieser Mann war sehr groß und übelriechend …
    »So, so«, schmunzelte Malcolm. »Gefällt es Euch dort nicht? Oder sucht Ihr vielleicht einen Mann für Euer Lager, dass Ihr Euch hierher wagt?« Nun wogte der Brustkorb in amüsiertem Lachen. »Das Metfass ist zwar noch nicht fortgeräumt, und auch der niedergestochene Frevler von gestern Abend lebt noch. Aber dort, wo schon wieder Ordnung herrscht, findet Ihr sicher einen Mann, der Euch in jeder Lage zufriedenstellt.« Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und versperrte ihr den Weg. »Ihr seid ja recht klein, aber damit können meine Männer wohl umgehen. Wenn Ihr Euch aus der Türe beugt, könnt Ihr den nackten Turmwächter sehen und wie gut er ausgestattet ist, hlæfdige – oder seid Ihr Besseres gewöhnt vom vornehmen Erobererhof in London?«
    »Wir suchen die Kapelle, a rìgh .« Margarets Stimme war ihre Rettung in der zunehmend unbehaglichen Situation. Mit untrüglichem Spürsinn hatte die Schwester sie gefunden. Christina atmete erleichtert auf. Der Mann mit seinem vulgären Humor war ihr immer unheimlicher geworden; beinahe wäre sie weggelaufen und hätte riskiert, dass sich ihr lachende Ritter an die Fersen hefteten. Die Festung von Edinburgh hatte mehr Ähnlichkeit mit der Behausung für eine wilde, bunte Jagdgesellschaft als mit dem Sitz eines Königs, und nichts erinnerte an die Räume, von denen aus Wilhelm in London das Land regierte. Wohl aus dem Grund hielten sich keine Frauen hier unten auf, und Margaret war genauso mutig wie sie gewesen, dennoch den Weg hierher zu wagen, um sie zu finden. Gottlob! Nun musste sie nicht einmal erklären, dass sie auch die Dienerinnen nicht verstand. Keine der Sprachen, die sie gelernt hatte, glich nämlich dem, was hier zwischen den ungepflegten Zähnen hervorquoll!
    »Wir

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