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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Gebet dachte, bekam sie Magendrücken, und ihre Laune wurde mit jedem Schritt schlechter. Inzwischen schämte sie sich nicht einmal mehr dafür, und sie würde deswegen ganz sicher nicht zur Beichte gehen. Hier sollte man nicht übellaunig werden? Wer war überhaupt auf die Idee mit dem Gebet gekommen? Das düstere, miefige Lager in der Frauenkammer erschien ihr nun als verlockende Zuflucht …
    »Hier entlang, hlæfdige «, riss Malcolm sie aus ihren Gedanken. Er hielt eine schmale Tür auf. »Die Mönche von St. Andrews haben uns dieses Haus errichtet. Ich … ähm. Ja. Die Mönche … Tretet ein.«
    Die Mönche von St. Andrews, wer auch immer sie sein mochten, schienen über keine großen Mittel zu verfügen, denn es war stockfinster in ihrem Gotteshaus. Malcolm lief als Erstes gegen eine Wand, wohl weil er nicht wusste, dass der Altar stets im Osten einer Kirche steht. Vielleicht war er noch nie hier gewesen, dachte Christina boshaft. Margaret fand den Altar mühelos, denn dort stand zumindest ein winziges Talglicht. Offensichtlich erleichtert, endlich an dem friedlichen Ort angekommen zu sein, schaffte sie es sogar, den königlichen Fluch zu ignorieren.
    »Er ist ein Barbar«, zischte Christina ihr ins Ohr.
    »Ja«, flüsterte Margaret zurück. »Möge der Allmächtige uns bald von ihm erlösen …« Trotzdem spürte Christina, wie die Schwester ihn belächelte. Und den Gefallen, sie von ihm zu erlösen, tat Gott ihnen auch nicht, denn Malcolm fand zu ihnen. Wie von einem unsichtbaren Faden gezogen, stand er kurz darauf neben Margaret, die nicht zögerte, ihren ersten Psalm vorzutragen – viel zu lange hatten sie unter freiem Himmel beten müssen!
    »Verba mea auribus percipe, Domine; intellege gemitum meum. Intende voci clamoris mei, rex meus et Deus meus. Quoniam ad te orabo, Domine, mane exaudies vocem meam …«
    »Benötigt Ihr mehr Kerzen für Euer Gebet?«, fragte der König in eine Pause hinein.
    »Nein.«
    »Soll der Priester ein Kraut räuchern?«
    »Nein, a rìgh .«
    »Ein … ein Kissen für Eure Knie vielleicht?«
    » A rìgh .« Margaret hob den Kopf, so viel gab das Talglicht preis. » A rìgh , unser Gebet findet Wohlgefallen in der Stille, und Gott der Allmächtige möchte nichts weiter als Andacht. Es genügt, wenn Ihr das respektiert.« Das Licht verriet noch mehr. Christina hielt den Atem an. Es scharrte auf dem Lehmfußboden, dann ein hartes Geräusch – und Malcolm kniete neben Margaret, ohne den Blick von ihr zu lassen. Das Altarlicht gab sich nun geschwätzig. Von einem Luftzug genährt, vergrößerte sich die Flamme und offenbarte, dass Margaret den König ansah. Für einen langen Moment versanken ihre Blicke ineinander wie ein parallel gesprochenes Gebet, was an diesem Ort gewiss nicht statthaft war, weil es die eisige Luft auf höchst unziemliche Art zum Knistern brachte. Das Licht flackerte unruhig.
    » Amen«, flüsterte Margaret. Dann faltete sie erneut die Hände und wandte den Blick zurück zum Altar. Malcolm tat es ihr gleich, doch gleichzeitig hielt er das Knistern aufrecht, schürte es gar … Er begehrte Margaret. Er verschlang sie mit seinen Sinnen, ohne sie zu berühren, und Christina musste hilflos danebenhocken, ohne die Schwester davor beschützen zu können. Spürte sie es? Störte es sie überhaupt? Der klaren Stimme, mit der sie die lateinischen Worte des Morgengebets rezitierte, war nichts anzumerken. Christina rückte ein wenig ab, um die beiden besser beobachten zu können. Sie knieten nebeneinander, beide aufrecht, schlank, stark, als hätte Gott selbst sie hierherbefohlen – als hätte Er einen Plan mit ihnen …
    Was für Ideen. Wo kamen die nur wieder her? Sie verbot sich die Gedanken. Malcolm war ein Wilder und wollte nur unter Maggas Röcke, hier in der Kirche – was für ein ungehobelter Barbar. Als sie wieder hinschaute, hatte er den Kopf in Andacht gesenkt und lauschte ihrer Stimme, aber er kniete so dicht neben ihr, dass seine Schulter die ihre berührte. Und Margaret ließ es geschehen.
    Das Bild ihrer Schwester so dicht neben dem König ließ Christina lange nicht los. Danach war nichts weiter mehr vorgefallen, ohne Zwischenfälle hatte Malcolm sie zur Burg zurückgebracht und in den Frauenkammern abgeliefert. Er hatte sich höflich verabschiedet, und seine gekonnte Verbeugung verriet, dass er tatsächlich ein paar Jahre am angelsächsischen Königshof verbracht haben musste, wie man sich erzählte. Wenn sie sich danach begegneten, war er stets

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