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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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kommen …« Fothad wurde beiseitegestoßen, das Weihrauchgefäß des Ministranten schepperte zu Boden. Mit leisem Klickern verteilte sich die glühende Kohle auf den Fliesen, der beißende Geruch des Weihrauchs ließ Fothad nach Luft ringen. In gebührendem Abstand hatte Malcolm sich auf die Knie begeben, und weil sein Arm nicht bis Margaret reichte, griff er nach Christinas Bein.
    »Mein Lieb – sprecht doch auch mit mir«, flehte er. »Was kann ich tun, was soll ich tun, sagt mir, was ich tun soll, ich ertrage es nicht, Euch so zu sehen …«
    Die Kirchentür quietschte erneut, diesmal, weil sie von Männerhand aufgerissen wurde.
    »Ist meine Schwester hier? Wo ist sie«, lallte eine jugendliche Stimme, dann schlurften torkelnde Schritte näher, andere Stimmen flüsterten – er war nicht alleine gekommen, hatte die Wache überwältigt, vielleicht sogar getötet. »Sie will nicht mit dem König schlafen, sagte man mir, das glaube ich ja nicht, wo ist sie, wo ist sie … wo …« Der Sprecher rülpste vernehmlich, dann kippte ein Stuhl um. Stiefel klapperten auf den Fliesen, Metall schlug gegen Wände. Niemand legte hier seine Waffen in der Kirche ab. Christina zog ihre Schwester dichter an sich. »Bleib ruhig – niemand wird uns etwas tun …«, flüsterte sie, »ich beschütze dich …« Das würde sie tun. Gegen alle, gegen Malcolm und all die anderen Barbaren, die ihnen zu Leibe rückten, und wenn es sein musste, würde sie sie auch gegen ihren eigenen Bruder verteidigen. Ihr Herz schwoll an.
    Immer mehr Männer quollen hinter ihm in die Kirche, offenbar neugierig, was hinter dem Lärm steckte, der sich vom Königsgemach aus bis hinunter in die Halle verbreitet hatte. Nicht jeder hatte dem Ehevollzug beiwohnen wollen, für manche hatten die Bierfässer offenbar mehr Anziehungskraft gehabt als königlicher Beischlaf in einem engen Gemach.
    » Hlæfweard , bitte … dies ist kein Ort …« Der Priester hastete auf den Mann zu – Edgar Æthling. Mit zerzaustem Haar, knallroten Wangen und offensichtlich stark angetrunken wollte der junge Angelsachse sich dem Altarraum nähern, wo seine Schwestern auf dem Boden lagen.
    » Hlæfweard , bitte, dies ist eine Kirche – zeigt Demut vor dem Herrn, kniet nieder …« Er wurde einfach überrannt, Earl Morcar schob ihn zur Seite wie einen lästigen Lakaien, als er Edgar in den Altarraum folgte. Der Æthling schwankte gefährlich, aber er hielt sich auf den Füßen, und als er Margaret auf dem Boden entdeckte, stieß er einen Schrei aus, dessen Stimmhöhe verriet, wie jung an Jahren er noch war.
    »Hier treibt sie sich rum – in der Kirche! Wie immer in der Kirche statt unter ihrem Mann, wie es sich gehört!«, pöbelte er los. »Ich befehle dir, sofort mit ihm ssssuu schlafen – Margaret! Du bist sssein Weib, du hast ihm ssssu gehorchen – mach mich nicht lächerlich vor allen Leuten! Schlaf mit ihm – sssofort!«
    Malcolm drehte sich um. Christina sah gerade noch, wie sich seine Miene zu einer entnervten Grimasse verzog, dann schoss seine Faust vor und traf den Heißsporn mitten ins Gesicht. Er fiel um, ohnehin schon geschwächt, und stöhnte protestierend, als Morcar ihn geistesgegenwärtig von hinten auffing und ein paar Schritte wegzog.
    »Schafft ihn hinaus«, befahl der König knapp. »So etwas brauche ich nicht auch noch.«
    Das Füßescharren nahm zu, als sie Edgar hinausschleiften. Margaret stöhnte. »Schsch …« Zärtlich strich Christina ihr über den Kopf. Niemand würde ihr etwas tun. Niemand.
    Und in der Tat – niemand wagte sich an Christina vorbei. Nicht einmal der König.
    Es war still geworden in der Kirche.
    Margaret lag ruhig in Christinas Armen. Sie starrte auf einen Fleck am Altar. Hin und wieder entrang sich ihrer Kehle ein leises Schluchzen, doch ihre Tränen waren getrocknet, und auch der Blutstrom aus ihrer Nase war versiegt. Christina hatte notdürftig ihr Gesicht von den Blutspuren gereinigt – alles schien sich der Normalität zu nähern. Vielleicht war doch alles nicht so schlimm? Selbst der Sturm draußen flaute ab. Durch eine undichte Stelle im Kirchendach segelten Schneeflocken wie flaumige, weiße Federn herunter …
    Auch die Kerzen hatten sich beruhigt. Sie waren zu kleinen, wohlgeformten Lichtkegeln geworden und scheuchten keine Schatten mehr über die Wände. Der Klang von Schritten und Kleiderrascheln hatte sich in die Ecke verdrückt, wo er darauf wartete, dass sich jemand bewegte. Dann würde er hervorschießen, sich der

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