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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Bewegung anschließen und für Unruhe sorgen. Doch er wartete vergebens. Selbst der Weihrauch stieg kerzengerade in die Höhe. Unter der Decke kräuselte er sich und betrachtete nachdenklich die Menschen am Boden.
    Malcolm stand breitbeinig und mit verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt. Ein Krieger, den es mitten im Kampf in ein Gotteshaus verschlagen hatte und der nicht verstand, warum es draußen nicht weiterging. Erwartungsvoll starrten die Männer, die in der Kirche verblieben waren, ihren König an. Er musste doch etwas unternehmen. Er wollte doch wohl hier nicht auf den Jüngsten Tag warten!
    Christina spürte ihre Spannung, die wie ein eingesperrtes Tier an den Käfigstäben vorbeilief und mit jedem Schritt fordernder, angriffslustiger wurde. Er war der König. Er forderte – er nahm sich. Er war ihr Anführer. Niemals zeigte er Schwäche. Nicht einmal hier.
    Malcolm stieß sich von der Wand ab. »Bringt sie zurück in die Burg.«
    »Nein«, flüsterte Margaret, »nein, nein … Erbarmen … ich kann nicht …«
    » A rìgh , lasst sie in der Kirche. Sie braucht die Abgeschiedenheit und die Nähe Gottes, um mit ihren Gesichtern fertigzuwerden.« Fothad wollte weitersprechen, doch Malcolm unterbrach ihn, indem er mit der Faust an seine Kukulle ging und ihn ohne Umstände einfach vom Boden hob.
    »In der Kirche lassen? Ist das Euer Ernst, Mönch? Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen? Ich habe gerade ein junges Weib geheiratet und ihr noch nicht ein einziges Mal beigewohnt, ich weiß nicht einmal, wie sie unter ihrem Brautkleid aussieht – und schon soll ich sie in der Kirche lassen, damit sie mit Gott trauliche Zwiesprache halten kann? Das kann nicht Euer Ernst sein – reizt mich nicht, sonst könnt Ihr Euren Hintern packen und auf ihm zu Fuß in Euer Kloster zurücklaufen, von dem Ihr herkommt!«
    Die Kirchenwände erbebten vor der Größe seines plötzlichen Zorns. Wie ein riesiger Bär richtete er sich vor ihnen auf, griff mit den Tatzen nach dem Dachstuhl, um ihn als Ganzes in den Forth zu schleudern. Fothad wimmerte, so habe er das nicht gemeint, keinesfalls. »Habt Erbarmen, a rìgh …«, niemals würde er wagen, den König derart zu reizen, »… beruhigt Euch, a rìgh , beruhigt Euch.« Wie ein nasser Sack hing er an Malcolms Faust – ohne sich zu wehren. Malcolm setzte den Bischof schließlich so derb auf die Füße, dass der Boden zitterte. Er spie verächtlich vor dem Schwächling auf den Boden.
    »Stellt sie mir wieder her. Ich will ihr beiwohnen. Der trunkene Æthling hat vollkommen recht: Sie ist mein Weib, sie soll meine Söhne austragen – dafür habe ich sie geheiratet. Ich will ihr beiwohnen, jetzt, sofort. Meine Männer denken sonst, ich könnte das nicht mehr. Wollt Ihr, dass ich aussehe wie ein Schlappschwanz? Wollt Ihr das etwa?« Wie um sein Anliegen noch einmal zu betonen, schüttelte er den Alten an beiden Schultern. »Zur Hölle – ich habe keine junge Frau geheiratet, um sie in der Kirche zu besuchen!«
    Die Ministranten sanken jammernd zu Boden, als er den Teufel heraufbeschwor. Er trat mit den Füßen nach ihnen, dass sie sich hinter den Altar flüchteten.
    »Das sagt doch keiner, a rìgh , habt Mitleid«, jammerte nun auch Fothad, ohne zu merken, dass er damit genau den falschen Ton getroffen hatte. Malcolm konnte Jammerei und Schwächlinge genauso wenig ausstehen wie Bettler, so hochgeboren sie auch sein mochten. Wieder griff er nach der Kukulle des Bischofs.
    »Mitleid soll ich haben. Ich frage mich, mit wem ich Mitleid haben soll. Vielleicht mit mir selber? Weil ich ein Weib habe, das heulend auf den Altarstufen liegt statt in meinem Bett? Vielleicht kann mir ja jemand sagen, was hier eigentlich los ist. Solltet Ihr versuchen, einen König zum Narren zu halten, lasst Euch sagen, dass ich Köpfe rollen lasse, wenn ich es bemerke!«
    Christina atmete tief durch. Noch gestern hatte sie gedacht, dass sie all ihre Kraft verloren hatte. Das war ein Irrtum. Sie hatte Katalin zwar nicht zurückholen können – aber nun war in ihr etwas erwachsen, was fast noch wertvoller war als die Kraft in ihren Händen: Sie verspürte genug Mut, um König Malcolm entgegenzutreten, und sie wusste, dass sie seinen Zorn würde bannen können.
    » A rìgh . Euer Weib verweigert sich Euch nicht«, sagte sie mit klarer Stimme, und alle anderen in der Kathedrale verstummten. »Hört mich an, a rìgh . Euer Weib wird gepeinigt durch etwas, was aus diesem Stundenbuch kommt. Es hat nichts mit Euch zu

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