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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Deo tantum quiesce, anima mea, ab ipso enim salutare meum … Magga, liebste Magga … In Deo tantum quiesce …«
    »Reiter! Grausame Reiter! Herr, zu Hilfe … Reiter …!«, war zwischen den Schreien zu verstehen, dann brach die Stimme wieder in haltloses Weinen aus, und Margarets Hände fuhren wie irre durch das Heidekraut.
    »Sie ist ja besessen!«, rief Malcolm mit aufgerissenen Augen und wich zurück. Beide Hände hatte er abwehrend erhoben, sah sich gar nach seinem Schwert um. »Gütiger Himmel – ich habe eine Besessene geheiratet …!«
    »Meine Schwester ist nicht besessen!«, schrie Christina ihn an, erschüttert über das Blut und die Schreie, die nun wieder in ihren Ohren gellten – und erschüttert darüber, wie sich das strahlende Brautpaar in ein paar wenigen Augenblicken hatte verwandeln können.
    »Was habt Ihr mit ihr gemacht! Ihr! Ihr habt sie geschlagen! Schämt Euch!« Außer sich vor Wut stand sie auf und zeigte mit ihrer von Margarets Blut besudelten Hand auf ihn. »Ihr habt sie geschlagen! Ihr habt Eure Frau geschlagen …«
    Sein Fausthieb traf sie mitten ins Gesicht. Benommen taumelte sie rückwärts, fing sich erst an der Wand wieder und ging von der Wucht trotzdem in die Knie.
    Er war ihr gefolgt. »Ich schlage meine Frau nicht, Weib. Verlass meinen Hof. Sofort.« Seine Augen schleuderten Steine nach ihr, und dann machte er einen weiteren Schritt, und der nächste Schlag hätte möglicherweise ihren Kopf an der Wand zerschmettert …
    Margarets spitzer Schrei zerriss die Luft. »Nein! … salva me … Stina!« Seine Hand sank, er fuhr herum, hin- und hergerissen – welch große Macht sie über ihn hatte!
    »Mitleid, a rìgh …!« Christina bebte am ganzen Körper – der Mann war doch wahnsinnig! Nur die Tatsache, dass ihre Schwester da blutend am Boden lag, hielt sie noch in der Kammer und davon ab wegzulaufen, bevor der Irre sie genauso zurichtete wie seine Frau!
    » A rìgh , schlagt mich tot, wenn Ihr wollt, aber habt Erbarmen mit ihr – sie fürchtet sich! Holt den Bischof und schafft sie in die Kirche, in Gottes Nähe wird sie sich beruhigen! Bitte bringt sie in die Kirche, a rìgh , ich flehe Euch an! Bringt Magga in die Kirche, seid barmherzig!«
    Damit ließ sie sich auf die Knie sinken, um zu ihrer Schwester zurückzukriechen, die immer noch schluchzend im blutdurchtränkten Heidekraut lag.
    Malcolm starrte sie an. Die Mordlust in seinem Blick vermischte sich mit aufkeimender Unsicherheit, er presste die Lippen so hart aufeinander, dass sie sich in kleine Falten legten. Und dann warf er sich den Umhang über die Schultern und riss seine Frau vom Boden. Christina fiel darüber auf den Rücken. Mit Margaret auf den Armen stapfte er ohne ein weiteres Wort zur Tür hinaus und mit Riesenschritten auf die Wendeltreppe zu. Ihr zartblaues Seidenkleid umwehte ihn wie ein Wölkchen. Ihr Weinen wurde an seiner breiten Schulter erstickt, Christina sah gerade noch, wie er mit seiner Pranke ihren Kopf an sich drückte. Dabei brüllte er: »Bischof! In die Kirche – sofort!« und stürzte die Treppe hinunter. Feixend warfen die Wände das Echo seiner Schritte durch den Aufgang und klopften daraus ein Spottlied. » Ceann Mór … er ist der Ceann Mór … er ist der Ceann Mór und sein Weib verrückt geworden …«
    Das Heidekraut stach durch den dünnen Stoff ihres Hemdes. Es erinnerte Christina daran, wo sie sich befand: auf dem Boden der Königskammer, wo bis gerade noch ihre Schwester blutend und schreiend gelegen hatte. Fassungslos befühlte sie die brennenden Schrammen, die Margarets Nägel in ihrem Gesicht hinterlassen hatten. Die waren echt, und das Feuer, welches sich langsam dort ausbreitete, brachte sie zur Besinnung. Sie sah hoch. Das Poltern auf der Treppe war verhallt, die Rufe verstummt. Nur ihr Herz schlug immer noch wie eine Trommel. Furchtsam deckte sie ihre Hand darüber, doch es wollte sich nicht beruhigen. Von draußen zog Weihrauchduft herein, ständiger, freundlicher Begleiter des Bischofs. Wie kleine Engelsfinger griffen die Schwaden auch nach ihr. Komm mit, riefen sie, folge uns, rasch! Sie zögerte. Etwas hielt sie am Boden fest.
    Es war das Stundenbuch.
    Wieder lag es so da, wie es Margaret aus den Händen gefallen war – zugeschlagen. Wieder hatte sie wohl darin gelesen, bevor der König zu ihr gekommen war. Hatte gebetet. Hatte Gott gesucht? Wieder das Stundenbuch … Christina starrte den schweren Einband an. Die kunstvoll in Gold eingelegten Edelsteine

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