Die Stunde Der Toechter
Zigarettenpackung auf dem Tisch und fluchte, als er sie unter den Zeitungen nirgends fand. »Du verbeißt dich, Jo. Kein Wunder, dass du es zu Hause nicht aushältst.«
Johanna reichte ihm ihre Zigaretten. »Beruhige dich, Köbi. Diesmal arbeite ich ganz legal. Kevin von Kranach vom Kommissariat Fahndungen hat mich in sein Team geholt. Kennst du ihn?«
Köbi starrte sie an und vergaß für einen Moment die Zigaretten. »Der Schwob?«
Johanna lachte. »Er spricht ein breiteres Zürichdeutsch als du und ich zusammen.«
Das schien ihn nicht zu beeindrucken. »Er hat einen Schwobennamen. Also wird er einer sein.« Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Zähne und gab ihr das Paket zurück.
»Kevin, meinst du?«
Köbi machte eine ärgerliche Handbewegung, bevor er das Feuerzeug betätigte. »Wenn du nur immer das letzte Wort hast, Jo. Du scharwenzelst mit den Karrieristen von der Kripo herum? Schon bald wirst du unsereins nicht mehr mit dem Arsch anschauen. So viel ist sicher.« Er seufzte theatralisch und verhüllte seinen Kopf mit einer dicken Rauchwolke.
Mit dem linken Fuß versetzte Johanna seinem Stuhl einen Stoß, sodass ihr Kollege sich um die eigene Achse drehte. »Mach mir jetzt keine Szene, Köbi. Das ist nur eine vorübergehende Sache. Kev hat mich geholt, weil ich Stämpfli kenne. Mehr ist nicht dabei. Aber sag’s nicht weiter. Offiziell bin ich krankgeschrieben.«
»Du bist ja auch krank, Jo!« Köbi war wieder ernst geworden. »Du gehörst ins Bett. Vor ein paar Tagen lagst du noch im Spital. Wie ein Häufchen Elend hast du ausgesehen. Dort oben im Triemli.« Er machte eine herzzerreißende Grimasse. »Wenn du so weitermachst, landest du im Grab, bevor meine Bewässerung funktioniert.« Er beugte sich wieder über sein Kreuzworträtsel.
Johanna lächelte still und lenkte ihren berollten Bürostuhl zurück an den Bildschirm. Es gab einen polizeilichen Eintrag. Eine Untersuchung wegen Geldwäsche gegen einen Alexander Bogdanow. Die deutschen Behörden hatten in der Schweiz um Amtshilfe ersucht. Das Verfahren war noch nicht abgeschlossen. Offenbar ging es um organisierte Kriminalität aus der ehemaligen Sowjetunion.
Johanna pfiff durch die Zähne. »Ist der Deutsche also ein Russ.«
»Aha. Die Wölfin hat Witterung aufgenommen«, brummte Köbi.
Als Revierdetektivin kam Johanna nicht an diese Akten heran. Dazu brauchte sie von Kranach. Das musste freilich warten. Sie sollte sich nämlich sputen, wenn sie Tamara nicht versetzen wollte. Eilig speicherte sie die wichtigsten Informationen ab und schaltete anschließend den Computer aus.
Köbi legte sein Kreuzworträtsel beiseite und schaute Johanna an. »Ich wäre blöd, wenn ich glauben würde, dass du jetzt heimgehst und gesund wirst, oder?«
Johanna fischte eine Zigarette aus ihrer Packung. Daraufhin streckte sie sie Köbi entgegen. Er nahm sich ebenfalls eine Kippe. Im Gegenzug reichte er ihr das Feuerzeug. Sie zündete ihre Zigarette an. Das Feuerzeug warf sie ihm im Vorbeigehen in den Schoß. Von der Türschwelle aus blies sie ihm einen imaginären Kuss entgegen.
»Danke, gleichfalls«, hörte sie ihn brummen, bevor sie in die Hitze hinaustrat.
15.
Kalte Sonnencreme tropfte ihr auf den Rücken. Sie kreischte. Tamara lachte. Bedächtig salbte sie Johanna ein. Die blinzelte. Die Luft hier oben war unglaublich klar. Das Licht wahnsinnig hell. Es war absolut windstill. Vereinzelt lagen Schneereste herum. Der See vor ihr schimmerte tiefblau. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht einfach hineinzurennen.
»Dreh dich um!«
Johanna legte sich auf den Rücken. Der Himmel hatte die gleiche Farbe wie von Kranachs Augen. Über ihr kreisten Bergdohlen. Darüber zwei Gleitschirmflieger. An den gegenüberliegenden Hängen krakeelten Bergsteiger herum. Velofahrer holperten die Wiesen hinunter. Und wo man hinschaute, wanderten die Menschen. Alte, Junge, Deutsche, Schweizer, Holländer, Familien, verliebte Paare, Singles. Sie befanden sich zweitausend Meter über dem Meeresspiegel. Es herrschte Betrieb wie an einem Samstagnachmittag in der Bahnhofstrasse.
Erstaunlich viele orthodoxe Juden waren unterwegs. Ihre Gewänder wirkten wohltuend altmodisch verglichen mit der farbigen Funktionswäsche, in der die anderen Leute herumliefen. Wahrscheinlich gab es ein koscheres Hotel im Dorf.
»Du hattest schon immer mehr Busen als ich.« Tamara saß rittlings auf Johannas Hüften und cremte ihr den Bauch ein.
Johanna betrachtete ihre Freundin. Tamara hatte
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