Die Stunde Der Toechter
Schlaf.
48.
Der Fahrer hielt. Seit sie untergetaucht war, benutzte sie kein eigenes Auto mehr. Sie stieg aus und öffnete die Hintertür. Auf dem Rücksitz lag eine zusammengeknüllte Reisetasche. Ihr Gewicht war bemerkenswert.
Das Hardturmstadion ragte in den Abendhimmel. Es wirkte verlassen wie der Trainer der Schweizer Fußballnationalmannschaft. Die Arena war wegen Baufälligkeit stillgelegt worden. Sie hatte dort einige Spiele gesehen. Ihr Vater hatte eine VIP-Loge besessen. Ein idealer Ort, um Geschäftsbeziehungen zu pflegen.
Es dauerte eine Weile, bis sie die Öffnung in der Umzäunung gefunden hatte. Sie zwängte sich hindurch und ging in Richtung Spielfeld. Es hatte schon bessere Tage gesehen. Salome Hügli ebenfalls. Sie verstärkte ihren Griff um den Henkel der Reisetasche und ging auf die Trainerbänke zu.
Einige Meter vor dem Eingang zu den Katakomben erschien ein Mann. Groß, fett, glatzköpfig. Sie kannte ihn von ihrem Treffen mit Bogdanow auf dem Limmatschiff. Kurz vor ihm hielt sie an. Er deutete ihr, die Tasche abzustellen. Dann tastete er sie ab. Gründlich. Seine Gesichtszüge waren verschlossen. Sie konnte in ihnen keinen Hinweis auf den Verlauf der kommenden Ereignisse ablesen. Der Mann deutete mit dem Arm nach vorn. Sie schritt voran. Einen schweren Klumpen im Bauch. Einen anderen in der Tasche.
Im Abgang zu den Katakomben zwischen den beiden Trainerbänken brannte eine Lampe. Sie warf ein unruhiges Licht auf die beiden wartenden Männer. Bogdanow begrüßte sie mit einem bösen Grinsen. Seine Augen flackerten. Wie Aasgeier fixierten sie die Tasche. Neben ihm stand der Kroate. In ihrem Rücken hörte sie ein Scharren. Erschrocken fuhr sie herum. Der Glatzkopf war in Stellung gegangen. Breitbeinig und zugeknöpft. Sie blickte wieder nach vorn. Die Gänsehaut auf ihrem Rücken blieb.
»Ich sehe, dass Sie eine Entscheidung getroffen haben.« Bogdanow deutete auf die Tasche. »Die richtige, wie ich hoffe. Eine Zukunft hat man nur, wenn man bereit ist, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Nicht wahr, meine Teure?«
Sie zog es vor zu schweigen.
»Stellen Sie die Tasche da hin.« Er zeigte auf den Raum zwischen ihnen.
Sie machte drei Schritte und legte die Tasche vorsichtig ab. Danach ging sie ein paar Meter zurück.
Bogdanow wartete einen Moment und starrte sie an. Er hatte sich in Schale geworfen. Genauso seine beiden Killer. Sie war in einem Deuxpièces erschienen wie zu jedem Geschäftstermin. Doch Bogdanow würde kaum über Mode diskutieren wollen. Sie beobachtete ein Zeichen seiner Augen. Es richtete sich an den Mann in ihrem Rücken. Eisige Kälte breitete sich in ihrem Nacken aus. Sie hörte, wie sich der Glatzkopf bewegte, und hielt die Luft an.
Der Mann ging an ihr vorbei zu der Tasche und bückte sich. Langsam faltete er sie auseinander und öffnete den Reißverschluss. In ihrem Innern lag eine Plastiktüte. Darin etwas Rundes. So groß wie ein Fußball. Aber schwerer.
Begierig beobachtete Bogdanow, wie sein Gorilla die Tüte an beiden Enden in die Höhe hob. Eine Wassermelone rollte auf den Betonboden. Bogdanow verfiel in ein hysterisches Lachen. Laut und giftig.
Es erstickte in einem Glucksen, als ihm der Kroate die Kehle durchschnitt. Aus Bogdanows offenem Rachen schoss eine Blutfontäne. Der Glatzkopf sprang beiseite. Er grinste. Alexander Bodganow lag auf dem Beton und röchelte. Zu dritt schauten sie zu, wie ihn das Leben verließ. Auf dem Boden breitete sich Blut aus.
Nach einer Weile sah der Kroate Salome Hügli an. »Du hast Angst.«
Einen Moment lang hielt sie seinem Blick stand. Dann nickte sie.
Er lachte. Der Glatzkopf stimmte ein. Irgendwann lachten sie alle drei.
Langsam fühlte Salome Hügli, dass das Grauen wich. Sie war gespannt, was danach kommen würde.
Als sie sich wieder beruhigt hatten, bewegte sich der Kroate als Erster. Immer noch hielt er sein Messer in der rechten Hand. Um die linke trug er einen schmutzigen Verband. Sorgfältig darauf achtend, dass er nicht in die Blutlache trat, kauerte er zwischen Bogdanows Beine. Er öffnete dem Toten den Hosenschlitz.
Entsetzt trat Salome Hügli einen Schritt zurück. »Ich dachte, ihr wollt den Kopf?« Ihr Hals war so trocken wie der Stadionrasen.
Der Kroate schaute auf. »Verräter verlieren Eier und Ehre.« Danach widmete er sich seiner Arbeit.
»Meine Güte! Das muss ich mir nicht ansehen.« Sie wandte sich ab und wollte gehen.
»Bleiben!« Der Glatzkopf stellte sich ihr in den Weg.
Salome
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