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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Front der Russen war ein Abschuß zu hören. Er blickte schnell auf die Uhr und schüttelte den Kopf. Es war zu früh für das bißchen Feuer, das immer gegen Morgen kam. Da hörte er die Granate weit rechts heranjaulen. Er zog instinktiv den Kopf ein, und das letzte, was er wahrnahm, bevor er sich in das Loch duckte, waren die Krähen, die wie auf ein Kommando aufflogen. Die Granate schlug ein paar hundert Meter weiter rechts ins Niemandsland.
    Aber noch bevor sie detonierte, begann hinter der Front der Roten Armee ein Grollen von vielen Abschüssen, das nicht abzureißen schien. Puhlwitz lauschte mit weit aufgerissenen Augen. Er hörte die ersten Granaten herankommen. Sie lagen näher. Wenn sie detonierten, gab es einen kreischenden, metallischen Laut, wie wenn zwei Stahlplatten aneinander schlugen. Und die klare, kalte Luft verlieh diesem Laut etwas Dröhnendes. Es war wie bei einem Gewitter, wenn der Blitz mit dem Donner zusammenfällt. Puhlwitz zog den Kopf immer mehr ein. Sein Gesicht bekam einen angstvollen, ratlosen Ausdruck, denn der Soldat Puhlwitz wußte aus Erfahrung, daß diese Art Feuer nur geschossen wurde, wenn man angriff.
    Er lebte noch, als die Granatwerfer in das Feuer eingriffen. Zuerst waren es die großkalibrigen, deren Geschosse gurgelnd und zischend fast senkrecht aus großer Höhe herabfielen. Und dann gab es ganz in der Nähe den ersten prasselnden Schlag eines Salvengeschützes. Da hob Puhlwitz blitzschnell den Kopf und sah hinüber zur Gegenseite. Er hatte richtig vermutet.
    Auf den Brüstungen der Schützenlöcher erblickte er die Stahlhelme. In jedem Loch mindestens drei. Er zog den Kopf schnell wieder ein, denn neben seinem Loch prasselte die letzte Reihe einer Serie Salvengranaten in den Schnee. Zweiunddreißig Einschläge, dachte er. Oder sind es mehr? Der nebenan ist hin. Der muß schon mehr Glück als Verstand haben, wenn er das überlebt. Diese Granaten haben ziemlich kleine Zwischenräume. Sie fallen dicht wie Regen. Sie explodieren nur wenig über dem Boden und verspritzen eine Unmenge Splitter. Mein Gott, dachte Puhlwitz, die machen uns fertig! Wie komme ich bloß hier 'raus? Nach den Granatwerfern fiel eine Batterie Raketengeschütze ein, die größere Kaliber verschossen. Die Raketen kamen heulend heran, mit einem grausigen, erschreckenden Laut, der etwas Menschliches zu haben schien. Es war, als krepierten sie mit einem Aufschrei. Aber das Heranheulen war schlimmer als der Einschlag. Puhlwitz merkte, wie er zu schwitzen begann, und riß sich den Kopfschützer herunter. Er wagte nicht mehr, den Kopf über die Brüstung zu stecken, denn die Gegend schien unter den Einschlägen zu kochen. Das Gedröhn riß nicht mehr ab, und die Einschläge verschmolzen miteinander. Er verlor das Gefühl dafür, ob eine einzelne Granate unmittelbar auf ihn zukam.
    Nach einer halben Stunde begannen die großen Geschütze zu schweigen. Nur die Werfer schossen noch. Und plötzlich hörte Puhlwitz zwischen den Abschüssen der Werfer und den Einschlägen, wie drüben Motoren anliefen. Er konnte es ganz deutlich wahrnehmen, denn es wurden viele Motoren zugleich angeworfen. Panzer! Puhlwitz war lange genug im Osten, um das herauszuhören. Einen T 34 erkennt man von weitem am Klang seines Motors und an seinem Auspuffgeräusch.
    Das Feuer schwieg nicht, aber es wurde schwächer, und die schweren Waffen schossen jetzt auf Ziele, die weiter hinten, im Wald oder hinter dem Wald, liegen mußten. Hinter Puhlwitz lief jemand durch den zerwühlten Schnee und schrie langgezogen: „Paaanzer von vooorn!" Es war der Leutnant, der den Abschnitt kommandierte. Er war schmutzig, und im Gesicht hatte er eine blutige Schramme. Er lief von Loch zu Loch und schrie nach Panzerfäusten. Puhlwitz legte die beiden Panzerfäuste, die in seinem Loch waren, mit unsicheren Griffen auf die Deckung. Er warf einen Blick hinüber, und im gleichen Augenblick zog er blitzschnell den Kopf ein. Sie hatten drüben begonnen, mit den Maschinenpistolen zu schießen. Er kam ganz langsam wieder mit dem Kopf hoch, um zu sehen, was geschah. Nur seine Augen waren über der Deckung. Aber das genügte, um den ersten Panzer zu sehen, der aus dem Wald brach. Es war ein weißgestrichener, stählerner Koloß, und er walzte ein paar Bäume nieder, als er ins Freie fuhr. Die Kanone war nach vorn gekurbelt, beinahe waagerecht. Der Panzer machte einen Satz über eine verschneite Bodenwelle und fuhr schaukelnd auf die Schützenlöcher zu. Hinter ihm

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