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Die Stunde Der Vampire

Die Stunde Der Vampire

Titel: Die Stunde Der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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seinem Hals, wie allergischer Nesselausschlag, genau wie bei mir, wenn ich mit Silber in Berührung
kam. Dennoch ließ er nicht von mir ab. Es gab kein Entkommen.
    Ob Alette in der Verfassung war, mir zu Hilfe zu eilen, wusste ich nicht. Ich war auf mich alleine gestellt.
    Verwandle dich, du kannst gegen ihn kämpfen – Schmerzen brannten in meinem Innern, als die Wölfin begann, sich mithilfe ihrer Krallen den Weg nach draußen zu erkämpfen. Der Vollmond war immer noch am Himmel. Ich hatte immer noch Macht. Meine Hände verdickten sich. Wild schlug ich um mich, denn ich wollte nicht gefangen sein; ich hasste es, dass er mich dazu brachte, mich zu verwandeln. Weder als Mensch noch als Wölfin war ich stark genug, um gegen ihn anzukommen.
    Er lachte, und mit einer weiteren blitzschnellen Bewegung hatte er meine Hand gepackt, diejenige, in der ich die Kruzifixe hielt, und rammte sie gegen den Boden. Es gelang ihm, sein Gewicht zu verlagern, sodass er meine beiden Hände zu Boden gedrückt hielt und sein Knie in meine Eingeweide presste. Er beugte sich dicht zu mir, bis seine Reißzähne über meinen Hals strichen. Jeder meiner Atemzüge wurde zu einem Knurren, doch das war ihm gleichgültig.
    Â»Ich werde dich zum Nachtisch verspeisen, Kätzchen«, sagte er. Er war in der idealen Position, um mir die Kehle herauszureißen, und ich konnte nicht das Geringste dagegen unternehmen. Ich versuchte genug Speichel zu sammeln, um ihm ins Gesicht zu spucken, da mir sonst nichts übrig zu bleiben schien. Doch mein Mund war seltsam ausgedörrt.
    Â»Leo.« Ein Neuankömmling. Die Stimme kannte ich.

    Leo blickte auf und stieß ein überraschtes Zischen aus. Dann pfiff etwas. Ich konnte ein Winseln in der Luft über mir spüren. Im gleichen Augenblick fiel Leo nach hinten, als habe ihn jemand mit einem Ruck an einer Kette fortgezogen.
    Sobald ich frei war, rollte ich mich zur Seite, weg von ihm, und rappelte mich auf alle viere auf.
    Paul Flemming stand am Fuß der Treppe und hielt eine Art Harpunenbüchse im Anschlag. Er ließ sie sinken und betrachtete seine Zielscheibe.
    Leo kauerte auf den Knien und starrte völlig verdutzt seine eigene Brust an. Ein dreißig Zentimeter langer Holzpflock ragte wie ein Pfeil aus seinem Herzen hervor. Aus der Wunde quoll kein Blut, obwohl die Harpune seine Brust durchschlagen haben musste. Irgendwie sah sie lächerlich aus, als handele es sich um ein Bühnenrequisit, das man ihm vorne ans Hemd geklebt hatte. Der Stoff um den Pflock warf Falten.
    Flemming war also wirklich gut im Pfählen. Anscheinend stand der Platz an der Spitze der Nahrungskette doch noch zur Debatte.
    Keuchend rang ich nach Luft und versuchte, mich wieder in mich selbst zurückzuziehen, Mensch zu bleiben. Alette hatte sich mittlerweile erholt. Sie setzte sich auf, die Beine säuberlich unter sich gezogen, und sah Leo beim Sterben zu. Sie hatte die Stirn gerunzelt, und aus ihren Augen sprach Trauer.
    Leo stieß ein kurzes Lachen aus, oder vielleicht handelte es sich bei dem Geräusch auch um den Beginn eines Schluchzens. Er streckte die Hand nach Alette aus und
sackte dann zur Seite, mit offenen Augen, die ins Leere starrten. Der Körper wurde wächsern, dann aschfahl und fing schließlich an zusammenzufallen, während er sich in Staub verwandelte; der Verwesungsprozess des Grabes vollzog sich innerhalb von Sekunden anstatt von Jahren. Seine Kleidung, der Pfahl, alles ging mit ihm. Alles, was ihn berührte, zerfiel zu Staub, und es blieb nur ein schwärzliches ovales Loch im Teppich. Er war von uns gegangen.
    Eigentlich hätte ich erwartet, dass Alette sich graziös wieder erheben, dass sie erneut ihr königliches Gebaren an den Tag legen und die Kontrolle übernehmen würde. Stattdessen blieb sie auf dem Fußboden, mit zusammengekniffenen Augen, und hielt den Stoff ihrer Jacke über dem Herzen umklammert, als verursache es ihr Schmerzen.
    Â»Wie konnte ich so blind sein?« Ihre Stimme klang dünn, gequält. »Wie konnte ich nur so … dumm sein?«
    Diese Worte hatte schon jede Frau gesprochen, die je von ihrem Freund hintergangen worden war. An manchen Dingen schien auch die Unsterblichkeit nichts zu ändern.
    Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und schlug schließlich die Augen auf, um das Häufchen Asche zu betrachten, das einst Leo gewesen war. Ihr Gesicht bildete Falten, als werde sie im

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