Die Stunde Der Vampire
nächsten Moment zu weinen anfangen. Doch sie schüttelte den Kopf und damit die traurige Stimmung von sich. »Er hat bei Waterloo gekämpft, wissen Sie? Als ich ihm begegnete, war er nur mehr eine leere Hülse, zerbrochen an dem, was er dort mit angesehen hatte. Doch er konnte immer noch lachen. Das gefiel mir. Ich gab ihm einen Grund weiterzumachen. Ich gab ihm
einen Platz in meinem Haushalt. Dann â gab ich ihm alles. Ich habe ihm vertraut. Ich habe gedacht â¦Â«
Sie liebte ihn. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Vampire schienen über die Liebe hinaus zu sein. Sie hatte noch dazu geglaubt, er erwidere ihre Liebe.
Eine Welle der Angst huschte über ihr Gesicht. Hastig stand sie auf und trat an das Bett, um sich neben Emma niederzulassen. Sie berührte das Gesicht der jungen Frau, betastete ihren Hals und griff dann nach ihren Händen. Lange Zeit starrte sie einfach nur Emmas Gesicht an, und mein Magen verwandelte sich in ein bleiernes Gewicht.
»Alette, was ⦠wie geht es ihr?« Ich wollte es eigentlich nicht wissen. Wenn ich es nicht wüsste, müsste ich nicht darauf reagieren.
»Sie ist nicht tot«, sagte Alette leise. Doch sie klang nicht erfreut. Sie klang resigniert. »Aber â am Leben ist sie auch nicht mehr wirklich. In der dritten Nacht wird sie als eine der Unseren erwachen.«
Leo hatte sie verwandelt, hatte sie zu einem Vampir gemacht. Hatte er die Gelegenheit erkannt, etwas von Alette zu besitzen, und hatte nicht widerstehen können? Ich hatte noch sein Gelächter im Ohr, als Alette ihn gefragt hatte, was er Emma angetan habe. Vielleicht war es in seinen Augen nichts als ein Scherz gewesen.
»Was werden Sie tun? Was ⦠was wird sie tun?«
Alette lächelte traurig. »Ich weià es nicht.« Sie beugte sich vor und küsste Emma auf die Stirn. Emma rührte sich nicht. Ihr Gesicht war weiÃ, blutleer.
Alette holte eine Decke aus einer Truhe am Fuà des Bettes und breitete sie über Emma aus.
Flemming hielt die Harpunenbüchse an seiner Seite nach unten gerichtet und sank gegen die Wand.
Ich schluckte, um sicherzugehen, dass meine Kehle noch menschlich war, dass ich immer noch eine Stimme besaÃ. »Warum? Warum sind Sie hier? Warum haben Sie ⦠das getan?«
»Er war gefährlich.«
»Gefährlich für wen? Für Sie? Für Ihre Forschungen? Machen Sie sich keine Sorgen, dass Sie Ihren Rekrutierungsbeauftragten verlieren?«
»Aber würde er denn für mich rekrutieren oder stattdessen sorgfältig die Leute auswählen, die er in einer Elitemilitäreinheit haben möchte? Ich weiÃ, dass er mich ausspioniert hat.« Er sah kurz zu Alette und senkte dann den Blick zu Boden. »Ich bin benutzt worden. Von allen. Von Duke, Leo, dem Department of Defense â¦Â«
»Moment mal, was? Dem DOD?«
»Ja, dem Verteidigungsministerium. Wenn sich eine Tür schlieÃt, öffnet sich eine andere. HeiÃt es nicht so? Das Militär sieht Möglichkeiten, was meine Forschungen betrifft. Die NIH werden mich nicht weiter finanziell fördern, nicht nach dem hier.«
»Verdammt richtig. Warum haben Sie je mit Duke gemeinsame Sache gemacht? Er ist komplett verrückt.«
»Wir waren beide auf die Anerkennung durch die Regierung aus. Er wollte die Kontrolle; ich wollte finanzielle Mittel, die nicht vom Militär kommen. Er war in der Lage, meiner Forschungsarbeit eine öffentliche Anhörung zu verschaffen. Ich konnte ihm seinen Beweis liefern, dass es tatsächlich Monster gibt. Ich dachte ⦠ich glaubte, letzten
Endes würde meine Wissenschaft seinen Fanatismus übertrumpfen. Dass der Kongress meine Beweise anerkennen und etwas Gutes damit bewirken würde.«
Wobei er Gutes als Finanzierung seines eigenen Projekts definierte. Das war das Problem an der Politik; jeder glaubte ausschlieÃlich an seine ganz persönliche Vorstellung von dem, was gut und richtig war. Und die Wissenschaft konnte zu einer ganz eigenen Spielart von Fanatismus werden.
Flemming fuhr fort: »Duke hat die öffentliche Meinung falsch eingeschätzt. Er glaubt tatsächlich, dass Sie alle keine Menschen sind und dass der Kongress Gesetze erlassen und Kopfgelder aussetzen wird, damit die Leute bis zum Aussterben Jagd auf Sie machen werden, wie es vor hundert Jahren mit den wild lebenden Wölfen geschehen ist. Er wollte ein staatlicher Van Helsing sein, und er
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