Die Stunde Der Vampire
Forschungsgebiet. Wenigstens weià er gut genug Bescheid, um zu wissen, wo er uns findet, wenn er möchte. Und dann stellt er einfach nett seine Fragen, ist das nicht unglaublich? Er zeigt, wie gut er Bescheid weiÃ, und man fühlt sich nicht schlecht, wenn man seine Fragen beantwortet. Man wird einfach zu einem weiteren Datenbündel. Mehr ist nicht.«
Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, wie Flemming durch die StraÃen lief, bis er im Crescent landete, Notizblock und Kassettenrekorder in der Hand, und einfach nett seine Fragen stellte.
»Was haben Sie ihm erzählt? Wie das Leben als Vampir ist?«
Er sah einen Augenblick weg, blickte gedankenverloren in die Ferne. Es hatte den Anschein, als sei da noch eine Persönlichkeit tief in seinem Innern verborgen.
»Die Zeit steht beinahe still«, sagte er. »Die Welt scheint einen Moment lang erstarrt zu sein. Man kann jedes kleine Stückchen davon ganz genau betrachten. Sämtliche mikroskopischen Punkte sind deutlich zu erkennen. Und man bewegt sich wie ein Löwe durch das Buschland. Einem wird klar, dass man sich alles nehmen kann. Man muss nur die Hand ausstrecken und packen, was immer man haben will. Wen immer man haben will.«
Im nächsten Moment stand er neben mir. Er strich mein Haar beiseite, und sein Atem hauchte an meinem Hals vorbei, ein leichtes, warmes Seufzen. Keine Zähne, keine Bedrohung, nur eine Liebkosung. Ich erzitterte, ohne jedoch
vor ihm zurückzuweichen. Aus irgendeinem Grund blieb ich, wo ich war.
»Haben Sie das zu hören erwartet?«, fragte er.
Ich wandte den Kopf und starrte ihn zornig an. Doch er hatte nichts getan. Es waren nur Worte.
Ich wusste besser als jeder andere, was ein Mensch mithilfe bloÃer Worte ausrichten konnte.
»Geht es darum, wenn man ein Vampir ist?«, fragte ich. »Sind Sie deshalb so ein arrogantes Arschloch?«
Er lachte. »Ein arrogantes Arschloch? Wirklich? So muss es wahrscheinlich auf die anderen wirken. Aber in unseren Augen seid ihr anderen kaum mehr als ein bisschen Haar, das im Wind fliegt. Uns ist es gleichgültig, was ihr denkt.«
»Nicht alle Vampire sind so. Mir sind schon welche begegnet, die tatsächlich vernünftige Menschen sind.« Ein oder zwei. Vielleicht. »Das ist alles, was Flemming macht? Geschichten sammeln? Wahre Lebensgeschichten anhäufen?«
»Ich bin mir sicher, dass das nicht alles ist, was er tut. Er ist ein Mediziner, oder etwa nicht? Nebenbei entnimmt er wahrscheinlich Blutproben. Jedenfalls würde ich das machen. « Er leckte sich die Lippen.
»Und wenn ich Ihnen nun sagte, dass Flemming ein Labor mit Gefängniszellen hat? Eine hat Knoblauch in der Wandfarbe, als sei sie dafür da, einen Vampir zu bändigen. Was, wenn es aussieht, als hielte er Versuchspersonen gegen ihren Willen gefangen?«
Leos Blick war umhergeschweift; er hatte gleichgültig den Raum gemustert, als sei er ein begeisterter Anhänger
von Innenarchitektur. Jetzt richtete er seine Augen auf mich, auf einmal interessiert. Beinahe wäre ich einen Schritt zurückgewichen. Doch wenn ich das getan hätte, wäre ich vielleicht gar nicht erst stehen geblieben, sondern gleich ganz aus dem Zimmer gelaufen. Leos Interesse war mir gar nicht recht.
»Es wäre überaus gefährlich und töricht, wenn er das getan haben sollte«, sagte er. »Selbst wenn es ihm gelänge, einen Vampir zu fangen, könnte er ihn nie wieder freilassen â und überleben.« Seine Lippen teilten sich, und er entblöÃte sein Gebiss, die scharfen Spitzen seiner Fangzähne.
»AuÃer er weià wirklich gut mit einem Pfahl umzugehen«, sagte ich.
»In der Tat .« Dieser britische Akzent konnte ein einzelnes Wort derart bedeutungsschwanger klingen lassen!
»Ah, Kitty, Sie sind wieder da.« Alette, ganz die Königin ihres Reiches, kam in die Eingangshalle stolziert, schick angezogen und elegant wie immer. Sie erweckte den Eindruck, auf dem Weg von einer Aufgabe zur nächsten zu sein. Sie grüÃte Leo mit einem Neigen ihres Kopfes und blieb vor mir stehen, um mich mit jenem steifen Nicken zu betrachten, das mir das Gefühl gab, ich hätte ihre Vorstellungen nicht erreicht, würde sie niemals erreichen. »Ich habe Sie vor einiger Zeit zurückerwartet. Ihre Verspätung bedeutet hoffentlich, dass Ihr Nachmittag ergiebig gewesen ist?«
An dieser Stelle musste ich die Informationen an
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