Die Stunde Der Vampire
Tag nicht mehr genug Zeit für weitere Zeugenaussagen. Wir werden den Ausschuss über das Wochenende vertagen und am Montag fortfahren, uns die Aussagen derjenigen Zeugen anzuhören, die noch nicht aufgerufen worden sind. Vielen Dank.«
In dem Saal erhob sich reges Treiben, Leute unterhielten sich, wandten sich zum Gehen, Berater eilten nach vorne, um sich um die Ausschussmitglieder zu kümmern. Die anderen Senatoren sahen so verwirrt aus, wie mir zumute war; sie hatten auch nicht mit einer erneuten Vertagung gerechnet. Die Anspannung, die von Anfang an da gewesen war, lieà nicht nach.
»Das ist eigenartig«, sagte Stockton. »Sollten Sie nicht heute aussagen?«
»Doch.« Ich verschränkte die Arme und zog einen Schmollmund.
»Das glaube ich einfach nicht.« Ben lieà sich mit einem Seufzen in seinen Stuhl zurückfallen. »Wenn man einen Namen auf der Tagesordnung sieht, geht man davon aus, dass diese Person auch aufgerufen wird. Das ist nicht nur ärgerlich, es ist unprofessionell. Sie erwarten von uns, dass wir pünktlich sind, das Mindeste, was sie tun können, ist eine zusätzliche Stunde dranzuhängen, um sich sämtliche Zeugen anzuhören.«
Vielleicht gab es einen Grund. Sollte noch jemand aufgerufen werden? Oder wollte Duke lediglich meine Aussage verschieben?
Ich zählte vorwärts, die Tage in dem Kalender, den ich immer im Kopf behielt, und bestätigte den Tag mithilfe des inneren Gezeitenstroms, der den Sog selbst dann spürte, wenn ich nicht genau wusste, auf welchen Tag Vollmond fiel. Ich starrte quer durch den Saal zu dem Tisch, an dem die Senatoren ihre Sachen aufräumten, auf den Ausgang zuhielten, sich miteinander oder mit ihren Beratern unterhielten. Duke sah auf und erwiderte meinen Blick. Er presste die Lippen aufeinander und wandte sich ab.
Alette hatte recht. Sie hatte es vorhergesagt.
»Dieser Bastard«, sagte ich. »Er hat es geplant. Er hat es die ganze Zeit über so geplant. Er muss die Anhörung bis Montag hinauszögern.«
»Was ist denn am Montag?«
»Vollmond. Er will mich dazu bringen, an dem Tag auszusagen, an dem wir Vollmond haben.«
Stockton stieà einen leisen Pfiff aus. »Gerissen«, sagte er beinahe bewundernd. Ich starrte ihn wütend an. Er mochte geglaubt haben, dass wir nach unserem Abenteuer letzte Nacht dicke Freunde waren, aber er war ziemlich mies darin, auch weiterhin in meiner Gunst zu stehen. Er war nicht so sehr Kampfgefährte als vielmehr nerviger kleiner Bruder.
Ben sagte: »Aus Ihrem Mund klingt das so, als sei das gar nicht gut.«
Ich schüttelte den Kopf und versuchte, noch mehr rechtschaffene Empörung zu empfinden. Doch ich war einfach
nur müde. »Da werde ich in meiner schlimmsten Verfassung sein, das ist alles. Gereizt, nervös. Unruhig. Er weià gut genug Bescheid, um das zu wissen. Vielleicht glaubt er, ich könnte die Selbstbeherrschung verlieren und mich direkt vor allen Leuten verwandeln.« Meine Stimmung verdüsterte sich zusehends.
»Werden Sie damit klarkommen?«, fragte Ben. »Sollen wir beantragen, dass Ihre Zeugenaussage um einen Tag verschoben wird?«
Der Tag danach wäre noch schlimmer als der Tag davor. Es fühlte sich wie ein Kater an, und ich verwandte gewöhnlich zu viel Energie darauf, die Tür zu dem Wolfskäfig im Geiste zuzuhalten. Ich wäre abgelenkt und zu nichts zu gebrauchen.
»Nein, nein«, sagte ich. »Ich meine, ja, klar. Ich werde damit klarkommen. Glaube ich jedenfalls.« Ich hoffte es. Kein Koffein an dem Tag für mich.
Ich musste mit Fritz reden, doch es wurde schon spät; ich hatte keine Ahnung, ob ich rechtzeitig im Crescent sein würde, um ihn abzufangen.
Ich lief von der Metrostation zu dem Klub, sprang die Treppenstufen hinab und hielt mich am Türrahmen fest, während ich mich panisch umsah.
Ich kam nicht zu spät. Er saà an seinem Stammplatz, über sein Glas gebeugt, und starrte ins Leere, völlig in seiner eigenen Welt gefangen.
Ich zog mir einen Stuhl heran und lieà mich neben ihm nieder, nahe genug, um zu flüstern, aber weit genug entfernt, um ausweichen zu können, falls er sich entschloss,
nach mir auszuholen. SchlieÃlich hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wie die Sache laufen würde.
Er blinzelte verblüfft in meine Richtung.
»Was kannst du mir über Dr. Paul Flemming erzählen?«, fragte ich.
Er starrte
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