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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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nur weil er ein Schmuckstück zu beschützen hatte.«
    Es gab keinen Beweis, keine Zeugen, die diese offensichtliche Lüge hätten zurückweisen können. Doch Maras scharfer Verstand kehrte wie ein kalter Windstoß zurück. Mit eisiger Haltung verneigte sie sich vor Jingu. »Mylord, es ist wahr, daß mein tapferer Truppenführer Papewaio gestorben ist, indem er den Reichtum Eurer Frau gegen einen Dieb verteidigte.«
    Der Lord der Minwanabi verstand ihre Zustimmung als Zeichen ihrer Kapitulation und der Anerkennung seiner Überlegenheit im Spiel, und so kehrte er sein Mitgefühl heraus: »Lady, Euer Truppenführer diente meinem Haus mit großem Heldenmut, der nicht unbemerkt bleiben wird. Alle Anwesenden sollen erfahren, daß er sich in höchstem Maße ehrenhaft verhalten hat.«
    Mara blickte ihn herausfordernd an. »Dann ehrt Papewaios Geist, wie er es verdient. »Wahrt sein Gedächtnis durch eine angemessene Zeremonie und gewährt ihm ein Begräbnis, das seinem Opfer entspricht.«
    Die Rufe der Löschtruppe füllten die Pause, als Jingu überlegte, Maras Forderung zurückzuweisen. Doch dann sah er den Kriegsherrn, der auf der anderen Seite des Innenhofes hinter einem geöffneten Laden stand und ihm zugrinste.
    Almecho wußte, daß Papewaios Tod Mord gewesen war; doch da die vorgebrachten Entschuldigungen nicht das Protokoll verletzten, amüsierten ihn solche Kleinigkeiten außerordentlich. Außerdem hatte Mara niemals um Gnade gefleht oder sonstwie die Brutalitäten des Großen Spiels verschmäht, und so war es nur recht, wenn sie von ihrem Feind diese Wiedergutmachung forderte. Almecho kehrte die Kameradschaft mit Jingu hervor und wandte sich an ihn: »Mein lieber Gastgeber«, rief er, »die Metalljuwelen Eurer Frau haben den mehrfachen Wert eines solchen Rituals. Um der Götter willen, Jingu, gebt dem Acoma-Mann sein Begräbnis. Durch seinen Tod habt Ihr noch eine Schuld zu begleichen, und da er sein Leben während meiner Geburtstagsfeier verloren hat, werden zwanzig meiner Kaiserlichen Weißen an seinem Scheiterhaufen stehen, um ihn zu ehren.«
    Jingu nickte ehrerbietig in Almechos Richtung, doch selbst im Licht der Flammen, die immer noch aus den schönen Gemächern schössen, offenbarten seine Augen nichts als kalte Wut. »Heil, Papewaio. Morgen werde ich seinen Schatten mit einer Beerdigung ehren«, gestand er Mara widerwillig zu.
    Mara verneigte sich und ging zu Nacoya. Sie ließ sich von ihren Zofen stützen, während sie zusah, wie Shimizu sich der schlaffen Leiche Papewaios entledigte und sie gleichgültig den Fremden übergab, die den Körper für die Beerdigung vorbereiten würden. Tränen drohten Mara zu überwältigen. Es erschien ihr unmöglich, ohne Papewaio zu überleben. Die Hände, die jetzt leblos über das feuchte Gras schleiften, hatten einst ihre Wiege bewacht, kaum daß sie geboren war; sie hatten ihr bei einigen ihrer ersten Schritte Halt gegeben und sie vor der Ermordung im heiligen Hain bewahrt. Die Tatsache, daß der Lord der Minwanabi jetzt eine aufwendige Zeremonie bezahlen mußte, um den Krieger eines feindlichen Hauses zu ehren, schien ihr ein hohler Sieg und bedeutungslos. Nie mehr würde das flammendrote Hemd mit seinen Troddeln und seiner Stickerei an Festtagen die Augen anderer beunruhigen; und in diesem Augenblick bedeutete der Verlust Papewaios weit mehr als jede Macht, die sie im Spiel des Rates errungen haben mochte.

Acht
    Die Beerdigung

    Die Trommeln dröhnten.
    Die Gäste Jingus von den Minwanabi versammelten sich für die Beerdigung Papewaios in der Haupthalle des Herrenhauses. Mara war aus Ehrerbietung gegenüber dem Gott des Todes ganz in Rot gekleidet; sie führte zusammen mit ihrer gegenwärtigen Ehrenwache, einem Mitglied der Kaiserlichen Weißen des Kriegsherrn, die Prozession an. Die Trommelschläge wurden lauter und kündigten den Beginn der Zeremonie an. Mara hatte einen Wedel aus Ke-Schilf in den Händen, den sie als Zeichen für die Wartenden, sich in Bewegung zu setzen, emporhalten würde. Jetzt war es soweit. Doch sie schloß die Augen und zögerte noch.
    Müdigkeit und Trauer hinterließen einen Schmerz in ihrem Innern, den keine Zeremonie zu lindern vermochte. Die Acoma waren Krieger, und Papewaio hatte sein Leben gegeben, um seiner Herrin zu dienen. Er hatte sich einen ehrenvollen Tod verdient, und dennoch sehnte sich Mara danach, ihn unter den Lebenden zu sehen.
    Die Trommeln ertönten wieder, drängender diesmal. Mara hob das scharlachrote Schilf empor.

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