Die Stunde der Wahrheit
»Wollt Ihr mich vor den Augen der anderen Gäste ermorden und auf diese Weise Euren rechtmäßigen Lord zum Tod verdammen?«
Shimizu blickte sich schnell um und sah die anderen, die über den Hof herbeieilten. Flammen fraßen sich rasch am Dach hoch, und ein Chor von anderen Stimmen fiel in Nacoyas Rufe ein. Der Alarm verbreitete sich rasch im ganzen Herrenhaus, und schon bald würde jeder verfügbare Mann mit Wasserkübeln hier erscheinen.
Die Gelegenheit, Mara zu töten, war vorüber. Shimizu mochte Teani lieben, doch der Ehrenkodex eines Kriegers würde niemals eine Kurtisane höher bewerten als die Ehre. »Lady, ich habe lediglich Eurer Ehrenwache geholfen, einen Dieb zu stellen. Es war der Wille der Götter, daß er in Ausübung seiner Pflicht gestorben ist. Doch jetzt müßt Ihr vor dem Feuer fliehen!«
»Dieb?« Mara verschluckte sich beinahe an dem Wort; ihr zu Füßen lag niedergestreckt Papewaio, ein Dolch mit schwarzem Heft in der Schulter. Dieser Stoß hätte ihn niemals getötet, ganz im Gegensatz zu der klaffenden Wunde in seinem Herzen.
Die ersten Gäste trafen laut schreiend ein. Der Truppenführer der Minwanabi nahm keine weitere Notiz von Mara und ordnete an, die Zimmer zu räumen. Die Flammen hatten bereits die Eckpfeiler erreicht, und Lack verwandelte sich in weißen Rauch und erfüllte die Luft mit einem bitteren Geruch.
Nacoya drängte sich durch die Gäste hindurch, griff nach ein paar Habseligkeiten, während die zwei wimmernden Zofen die größte Truhe aus der Gefahrenzone schafften. »Kommt, Kind.« Nacoya griff Mara am Ärmel und versuchte sie über den Flur zu ziehen und in Sicherheit zu bringen.
Tränen und Qualm brannten in Maras Augen. Sie widerstand Nacoyas Bemühungen und gab den Dienern der Minwanabi, die gekommen waren, um zu helfen, ein Zeichen. Nacoya ließ einen gotteslästerlichen Fluch hören, was selten genug vorkam, doch Mara weigerte sich noch immer, sich zu bewegen. Zwei Diener nahmen den sich abmühenden Mädchen die Truhe ab. Andere eilten herbei, um den Rest von Maras Besitz vor den Flammen zu retten. Zwei kräftige Arbeiter nahmen Nacoya am Arm und führten sie aus dem Gefahrenbereich.
Shimizu zog Mara am Gewand. »Ihr müßt kommen, Lady. Die Wände werden bald einstürzen.« Die Hitze der Flammen war bereits unerträglich.
Die Wasserträger begannen mit ihrer Arbeit. Wasser zischte auf das brennende Holz, allerdings an der Wandseite, die dem toten Dieb auf der Erde entgegengesetzt war. So hatte seine Kleidung bereits Feuer gefangen, und die Flammen vernichteten jeden möglichen Beweis für einen Verrat. Benommen weigerte sich Mara, sich in das Unausweichliche zu fügen. »Ich werde nicht eher gehen, bis der Körper meines Truppenführers von hier weggetragen wird.«
Shimizu nickte. Ohne jedes Gefühl beugte er sich hinab und schulterte den Körper des Kriegers, den er gerade erst mit einem Schwert getötet hatte.
Mara folgte ihm durch die Gänge; sie hustete wegen dem Qualm und Rauch, während der Mörder vor ihr den Körper des tapferen Papewaio in die Kühle der Nacht brachte. Sie stolperte hinter Dienern her, die sich mit schwappenden Eimern abschleppten, um den Kampf gegen die Flammen zu gewinnen, damit das Haus ihres Herrn nicht vollkommen vernichtet werden würde. Mara bat die Götter inständig darum, es brennen zu lassen, alles abbrennen zu lassen, damit Jingu auch nur ein Zehntel des Verlustes spürte, den sie durch Papes Tod erlitten hatte.
Wäre sie allein gewesen, hätte sie jetzt vielleicht um den Verlust des treuen Freundes geweint; doch zwischen den schläfrigen Gästen wartete Jingu von den Minwanabi. Seine Augen strahlten hell vor Siegesfreude.
Shimizu ließ Papewaios Körper auf das kühle Gras hinab. »Herr, ein Dieb – einer Eurer Diener – versuchte, seine Flucht zu verschleiern, indem er sich die Verwirrung zunutze machte, die durch die neuen Gäste im Haus entstanden ist. Als ich ihn fand, hatte die Ehrenwache der Lady der Acoma ihn bereits getötet, doch dieser mutige Krieger war ebenfalls nicht mehr am Leben. Ich entdeckte dies bei dem toten Mann.« Shimizu reichte seinem Lord ein Halsband von durchschnittlicher Schönheit, das jedoch aus kostbarem Metall bestand.
Jingu nickte. »Es gehört meiner Frau. Der Dieb muß ein Hausdiener sein, der es aus unseren Gemächern stahl, während wir speisten.« Mit bösartigem Grinsen wandte er sich an Mara. »Es ist eine Schande, daß ein solch fähiger Krieger sein Leben lassen mußte,
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