Die Stunde der Wahrheit
Landes auf die grüngekleideten Soldaten der Acoma loszustürmen, von denen ihre Späher zuvor berichtet hatten. Der Lord der Tuscalora runzelte die Stirn in einer Weise, die die Dienerschaft veranlaßte, rasch im Haus Deckung zu suchen. »Es wird das Blut der Acoma sein, das vergossen wird, Lady!« Der Mann hob seine plumpe Hand und gab das Zeichen zum Angriff.
Schwerter wurden scharrend aus Scheiden gezogen, und die Bogenschützen der Tuscalora ließen einen ersten Pfeilhagel niederprasseln, noch während ihre vorderste Reihe vorwärts stürmte. Mara hörte die Schlachtrufe aus den Kehlen ihrer Soldaten; dann zerrte Papewaio sie nach unten und zur Seite, fort aus der Schußlinie. Doch es war zu spät. Mara spürte einen Stoß am Oberarm, der sie halb herumwirbelte. Sie fiel zurück, durch die Gazevorhänge hindurch auf die Kissen ihrer Sänfte. Ein Pfeil mit der blaßblauen Feder der Tuscalora steckte in ihrem Fleisch. Ihr wurde dunkel vor den Augen, doch sie schrie nicht.
Ihr Bewußtsein trübte sich, und sie hatte das Gefühl, als drehte der Himmel sich über ihr, während sich die Schilde ihrer Verteidiger schlossen, kaum eine Sekunde, bevor die Feinde in Reichweite waren.
Waffen prallten aufeinander, und die Schilde dröhnten dumpf. Kies knirschte unter sich hastig bewegenden Füßen. Mara konzentrierte sich auf die Tatsache, daß der eine Bogenschütze der Acoma, der wirklich zählte, seinen Pfeil noch nicht abgeschossen hatte. »Pape, das Signal«, preßte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ihre Stimme klang sogar in ihren eigenen Ohren schwach.
Ihr mächtiger Truppenführer jedoch antwortete nicht. Mara wischte sich den Schweiß aus den Augen und blinzelte durch das Sonnenlicht und die wirbelnden Klingen hindurch, bis sie den federgeschmückten Helm sah. Doch Papewaio konnte nicht zu ihr kommen, so umringt war er von Feinden. Noch während Mara zusah, wie er einen Tuscalora-Soldaten mit einem Hieb in den Nacken tötete, sprangen zwei andere über ihren toten Kameraden und drangen auf ihn ein. Offensichtlich hatte Jidu den Befehl gegeben, den Offizier der Acoma niederzustrecken, in der Hoffnung, daß sein Tod Maras Truppe in Verwirrung stürzen würde.
Trotz ihrer Schmerzen mußte Mara diese taktische Überlegung bewundern. Bei der hohen Anzahl an Neulingen in der Truppe der Acoma-Krieger und ihrer geringen bis gar nicht vorhandenen Erfahrung auf dem Schlachtfeld kämpften viele dieser Männer Seite an Seite mit Kampfgenossen, die ihnen fremd waren. Und der unnachgiebige, konzentrierte Angriff von Jidus besten Soldaten brachte sogar Papewaio arg in Bedrängnis. Mara biß die Zähne zusammen. Es blieben nur noch wenige Minuten, bevor der Feind ihre Wachen überwältigt haben würde, und der Plan, den sie ausgearbeitet hatte, um ein Massaker zu verhindern, mußte immer noch in Gang gesetzt werden.
Sie hielt sich an der Sänfte fest, doch selbst diese kleine Bewegung brachte den Pfeil in ihrem Arm dazu, gegen den Knochen zu schaben. Wilder Schmerz schoß durch ihren Körper; sie wimmerte mit zusammengebissenen Zähnen und kämpfte gegen eine Ohnmacht an.
Klingen kreischten hell auf, schienen sich direkt über ihrem Kopf zu befinden. Dann stolperte einer der Krieger der Acoma nach hinten und brach zusammen; Blut strömte aus einer Öffnung seiner Rüstung. Er zitterte, und in seinen geöffneten Augen spiegelte sich der Himmel. Dann formten seine Lippen ein letztes Gebet an Cochocan, und das Schwert glitt aus seiner Hand. Tränen brannten in Maras Augen. So waren auch ihr Vater und Lano gestorben; bei dem Gedanken, daß der kleine Ayaki von einem feindlichen Speer aufgespießt werden könnte, wurde ihr schlecht vor Wut.
Sie streckte die Hand aus und griff nach dem schweißnassen Schwert des gefallenen Soldaten. Sie benutzte die Klinge wie einen Stock und kämpfte sich mühsam auf die Beine. Die Sonne brannte heiß auf ihren Kopf, und vor Schmerzen verschwamm alles vor ihren Augen. Immer neue Schwächeanfälle machten ihr zu schaffen, dennoch sah sie, daß es einem unglückseligen Pfeil gelungen war, ihren kostbaren Bogenschützen außer Gefecht zu setzen. Stöhnend lag er auf dem Boden und hielt die Hände über dem Bauch verkrampft. Der Pfeil, der Lujan und Tasido verkünden sollte, daß sie mit ihrem Teil des Plans beginnen sollten, glitzerte unbenutzt vor seinen Füßen in der Sonne.
Mara stöhnte auf. Rufe drangen an ihr Ohr, und das Geräusch der pausenlos aufeinanderprallenden Klingen
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