Die Stunde der Wahrheit
beleidigt Ihr meine Ehre, Lord Jidu.« Sie hob anklagend einen Finger in die Höhe und ähnelte dabei viel mehr ihrem Vater, als sie ahnte. »Wie könnt Ihr es wagen, mit mir zu sprechen, als wäre ich irgendeine Fischverkäuferin am Fluß! Ich bin die Lady der Acoma! Ich werde eine solche Behandlung von keinem Mann dulden! Ich verlange den Respekt, den man mir schuldet.«
Der Lord stieß sich jetzt vom Türpfosten ab, seine Haltung war längst nicht mehr träge und lässig. Er sprach mit ihr, als wäre sie ein Rind. »Lady Mara, Wettschulden werden normalerweise nicht so direkt beglichen. Euer verstorbener Ehemann hat dies verstanden.«
Mara ließ ihren Fächer zuschnappen; sie war sicher, daß der Mann versuchte sie hinzuhalten. In dem Augenblick, da seine gesamte Garnison unter Waffen sein würde, wäre es vorbei mit seiner spöttisch väterlichen Haltung. Sie schluckte und antwortete mit dem ganzen Stolz ihrer Ahnen: »Mein verstorbener Ehemann regiert nicht mehr, doch ich versichere Euch, hätte Lord Buntokapi eine solch unhöfliche Aufforderung erhalten, nicht mehr zu ›nerven‹, er hätte Euch mit dem Schwert gefordert. Glaubt nicht, daß ich weniger tun werde, wenn Ihr Euch nicht sofort entschuldigt und die Schulden begleicht.«
Lord Jidu strich über seine unförmige Taille wie ein Mann, der sich gerade von einem Festmahl erhob. Er blickte Mara scharf an, und seine Zufriedenheit kündigte noch vor dem Scheppern der Rüstungen und Waffen die Schwadron Tuscalora-Soldaten an, die kurz darauf in ihr Blickfeld geriet. Papewaios Körper neben ihr spannte sich an. Dies waren keine nachlässigen Hauswachen, sondern durch langjährigen Dienst an den Grenzen der Domäne geschulte Soldaten. Die Krieger stellten sich zu beiden Seiten des Eingangs in einer Formation auf, die ihnen einen klaren Vorteil versprach: Im Fall eines Angriffs würden die Bogenschützen der Acoma bergauf und gegen den grellen Schein der Sonne schießen müssen.
Lord Jidu plusterte sich bis zu den Grenzen seiner gedrungenen Gestalt auf und hielt inne, über seinen Bauch zu streichen. »Wenn ich Euch nun erkläre, daß bereits Eure Zahlungsaufforderung ein Affront ist, Lady Mara, was dann? Mich derart wegen einer Summe zu belästigen, die ich Euch schulde, enthält den Vorwurf, daß ich nicht zahlen will. Ich denke, damit habt Ihr die Ehre der Tuscalora beleidigt.«
Bei dieser Anschuldigung fuhren die Hände der Soldaten an der Tür zu den Schwertgriffen. Sie waren hervorragend ausgebildet, und ihre Angriffsbereitschaft lag spürbar in der Luft. Papewaio gab der Gefolgschaft der Acoma ein Zeichen, und Wachen in grünen Rüstungen verteilten sich ruhig um die Sänfte, die sie mit auswärts gerichteten Schilden schützten. Umgeben von Männern, die vor Anspannung und Entschlußkraft schwitzten, widerstand Mara dem inneren Drang, sich die feuchten Hände zu reiben. Hatte ihr Vater das gleiche gefühlt, als er die barbarische Welt angegriffen hatte, als er gewußt hatte, daß der Tod ihn erwarten würde? Sie bemühte sich, nach außen hin ruhig zu erscheinen, und schaute am Schild ihres Leibwächters vorbei dem Lord der Tuscalora direkt in die Augen. »Dann stimmen wir wohl dann überein, daß wir ein Problem zu bereinigen haben.«
Schweiß glitzerte auf Jidus Oberlippe, doch er wirkte keineswegs eingeschüchtert. Er schnippte mit den Fingern, und sofort begaben sich die Soldaten in Angriffsposition. Beinahe lautlos befahl auch Papewaio seinen Männern, sich bereit zu halten. Dann stieß er seine Ferse kurz rückwärts in den Kies, und Mara hörte ein schwaches, schleifendes Geräusch hinter der Sänfte. Der Bogenschütze, der sich dort versteckt hielt und vom Haus aus nicht gesehen werden konnte, hatte das Signal bemerkt. Verstohlen spannte er den Bogen, und Mara spürte Furcht wie eine kalte Klinge in ihr Herz dringen. Papewaio bereitete sich auf den Kampf vor.
Trotzdem zermürbte Lord Jidus Antwort sie nicht. »Ihr sprecht kühn für eine, die sich tief im Herzen der Domäne der Tuscalora befindet.«
Mara stieg aus der Sänfte und stand reglos in der Sonne. »Wenn die Ehre der Acoma nicht wiederhergestellt wird, kann nur Blut die Antwort sein.«
Die zwei Regierenden starrten sich prüfend an; dann warf Lord Jidu einen Blick auf Maras fünfzig Wachen. Seine eigene Schwadron war dreimal so groß, und inzwischen hatten sich vermutlich auch seine übrigen Truppen bewaffnet und warteten auf den Befehl ihrer Anführer, an der Grenze ihres
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