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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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wäre sie ganz sicher Eure Frau geworden.«
    Diese Enttäuschung war zuviel für Bruli. »Aber ich dachte, es war ihr Wunsch, daß ich das Mädchen nehmen sollte!« Seine Armreifen klapperten, als er die Arme in einer beleidigten Geste verschränkte. »Diese Zofe war eindeutig unverfroren genug in der Wanne, und … es war nicht das erste Mal, daß ich als Gast eines Hauses zum Zeitvertreib eine Dienerin angeboten bekam.«
    Nacoya reizte ihre Rolle als gutmütige Großmutter bis zur Grenze aus. »Oh, Ihr armer Junge. Ihr wißt so wenig über das Herz einer Frau. Ich wette, es war niemals eine Frau, die Euch als Gast eine Zofe zum Anwärmen ins Bett geschickt hat.« Sie schwenkte einen Finger unter seiner Nase. »Es war ein Mann, der das tat, nicht wahr?«
    Bruli starrte auf den feinen Kies auf dem Boden; er mußte ihr recht geben. Nacoya nickte kurz. »Seht Ihr, es war in einer bestimmten Weise ein Test.« Er kniff die Augen zusammen, und sie fuhr fort: »Nicht von Anfang an, das versichere ich Euch. Aber es ist einfach so: Hättet Ihr Euch angekleidet und wäret sofort gegangen, wäre meine Herrin bei Eurer Rückkehr die Eure gewesen. So aber …»
    Bruli warf seine gekringelten Locken zurück und grunzte: »Und was soll ich jetzt tun?«
    »Wie ich schon sagte, Geschenke.« Nacoyas Stimme bekam jetzt einen leicht tadelnden Ton. »Und ich denke, Ihr solltet beweisen, daß Ihr auf Eure Leidenschaft nur noch mit wahrer Liebe antworten wollt. Schickt die Mädchen weg, die Ihr Euch in Euren Gemächern in der Stadt haltet.«
    Bruli richtete sich sofort argwöhnisch auf. »Ihr habt Spione! Wie sonst hättet Ihr wissen können, daß zwei Frauen aus der Ried-Welt in der Stadt bei mir wohnen?«
    Obwohl tatsächlich Arakasis Spione diese Tatsache bestätigt hatten, nickte Nacoya nur in alter Weisheit. »Seht Ihr, ich habe richtig vermutet! Und wenn bereits eine alte, einfache Frau wie ich so etwas erraten kann, wird es meine Lady erst recht erraten haben.« Klein und verhutzelt neben dem stolzen Krieger, drängte sie ihn zum Tor, wo seine Sänfte wartete. »Ihr müßt gehen, junger Herr. Wenn Ihr wirklich ihr Herz gewinnen wollt, darf nicht der Eindruck entstehen, als würdet Ihr übermäßig lang mit mir sprechen. Meine Lady könnte sonst vermuten, daß ich Euch einen Rat gebe, und das würde ihr ganz und gar nicht gefallen. Geht also schnell, und seid großherzig im Beweis Eurer Ergebenheit.«
    Der Sohn Mekasis ließ sich zögernd auf den Kissen nieder. Seine Sklaven schulterten die Stäbe der bunten Sänfte, und mit der Präzision einer Spieluhr ließen die Musiker den verabredeten Rückzugsmarsch ertönen. Frauen und Männer wirbelten in fröhlichen Kreisen und Drehungen umher, bis ein nörgelnder Ruf ihres Herrn der Vorstellung ein Ende bereitete. Die Viellen schrammten ein letztes Mal und schwiegen, und ein einsamer verspäteter Hornbläser brachte die Needra-Bullen auf den Weiden zum Brüllen. Wie passend, dieser letzte Abschiedsgruß vom Vieh, dachte Nacoya, als Bruli mit seinem Gefolge in düsterer Stimmung nach Sulan-Qu aufbrach. Die heiße Mittagssonne ließ die Kränze auf den Köpfen der Tanzschar und der Sklaven verwelken, und beinahe empfand die Erste Beraterin der Acoma Mitleid für den jungen Mann. Aber nur beinahe.

    Die Geschenke trafen bereits ab dem nächsten Tag ein. Als erstes kam ein seltener Vogel, der ein schwermütiges Lied sang, zusammen mit einer Nachricht in Form eines eher mißlungenen Gedichts. Nacoya las es, nachdem Mara es zur Seite gelegt hatte. »Die Schrift beweist Übung. Er muß ein paar Dimis ausgegeben haben, um einen Poeten zu engagieren, der ihm dies verfaßt hat.«
    »Dann hat er seinen Reichtum verschwendet. Es ist schrecklich.« Mara winkte eine Sklavin herbei, die das farbenfrohe Geschenkpapier des Vogelkäfigs wegschaffen sollte. Der Vogel selbst hoppelte von einer Schilfstange zur nächsten und sang sich das winzige Herz aus dem Leib.
    In diesem Augenblick erschien Arakasi an der Schwelle zum Arbeitszimmer. »Mylady, ich habe den Spion für die Kehotara entdeckt.«
    Mara befahl den Sklaven, den Vogel in ein anderes Zimmer zu bringen. »Wer ist es?« fragte sie, während sein Trällern im Flur verklang.
    Arakasi nahm ihr Angebot an und trat ein. »Einer von Brulis Dienern eilte fort mit einer Nachricht, ich nehme an, um den Lord der Kehotara vor den Exzessen seines Sohnes zu warnen. Doch das Merkwürdige ist, daß ein anderer Sklave, einer der Träger, ebenfalls das Haus in der

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