Die Stunde der Wahrheit
informierte die alte Frau, daß Bruli jetzt die überfällige Nachricht seines Vaters erhalten sollte. »Es muß ihm unbedingt mitgeteilt werden, daß sie eben erst angekommen ist.«
Ein teuflisches Leuchten trat in Nacoyas Augen. »Darf ich ihm die Nachricht selbst überbringen, Mistress? Ich möchte gerne sein Gesicht sehen, wenn er sie liest!«
Mara lachte. »Du altes Ekel! Also gut, du hast meinen Segen. Bring sie ihm selbst. Aber übertreibe es nicht mit deinen Lügen. Die Briefe sind in der Stadt aufgehalten worden, was mehr oder weniger sogar stimmt.« Sie hielt inne und verbarg das kurze Aufflackern von Angst hinter ihrem Humor. »Glaubst du, das erspart mir sein Säuseln während des Essens?«
Doch Nacoya hatte sich bereits auf den Weg gemacht, um ihre Aufgabe zu erfüllen, und die einzige Antwort, die Mara erhielt, war ein schläfriges Zwitschern des Singvogels. Sie zitterte plötzlich und brauchte dringend eine heiße Wanne, die sie von ihren Gedanken über das Spiel trennte, das sie jetzt gegen den Lord der Kehotara zu Ende bringen mußte.
Die Öllampen brannten weich und verteilten goldenes Licht auf dem Tisch. Sorgfältig zubereitete Speisen dampften um ein Arrangement aus Blumen, und gekühlter Fisch glitzerte auf einem Bett aus frischen Früchten und Kräutern. Die Bediensteten in der Küche hatten eindeutig hart gearbeitet, um ein romantisches Essen für zwei Verliebte zuzubereiten, und dennoch saß Bruli unruhig auf seinen Kissen. Er schob das exquisite Essen auf seinem Teller hin und her und war mit seinen Gedanken offensichtlich ganz woanders. Selbst der tiefe Ausschnitt von Maras Gewand konnte seine Stimmung nicht aufhellen.
Schließlich tat Mara, als würde sie das verwirren, und sie legte ihre Serviette beiseite. »Was ist los, Bruli, Ihr scheint ziemlich aufgeregt. Fehlt etwas?«
»Mylady?« Der junge Mann schaute hoch, und seine blauen Augen waren überschattet vor Anspannung. »Ich zögere, Euch … mit meinen Schwierigkeiten zu belästigen, doch …« Er errötete und blickte verlegen nach unten. »Offen gestanden habe ich in meiner Leidenschaft, Euch zu gewinnen, meinem Haus große Schulden zugefügt.« Eine schmerzliche Stille setzte ein. »Ihr werdet mich zweifellos geringer achten, und ich werde in Euren Augen an Format verlieren, doch die Pflicht gegenüber meinem Vater verlangt, daß ich Euch um einen Gefallen bitte.«
Plötzlich bereitete Brulis Unbehagen Mara kaum noch Genuß, und ihre Stimme klang heftiger als geplant. »Was für einen Gefallen?« Sie schwächte die Wirkung etwas ab, indem sie ihre Gabel niederlegte und sich um einen betroffenen Gesichtsausdruck bemühte. »Natürlich werde ich Euch helfen, wenn ich kann.«
Bruli seufzte, doch seine unglückliche Stimmung war keineswegs verflogen. »Wenn es Eurem Herzen möglich ist, so gnädig zu sein, hätte ich gerne einige von den Geschenken … jenen, die ich Euch schickte … könntet Ihr sie vielleicht zurückgeben?« Seine Stimme brach ab, und er schluckte schwer. »Nicht alle, aber vielleicht die etwas teureren.«
Maras Augen schimmerten wie dunkle Teiche und voller Sympathie. »Ich denke, ich kann es übers Herz bringen, einem Freund zu helfen, Bruli. Doch die Nacht ist noch jung, und die Köche haben hart gearbeitet, um uns zufriedenzustellen. Warum vergessen wir nicht die unerfreulichen Sorgen und genießen das Essen? Gleich bei der ersten Mahlzeit morgen versuchen wir, Eure Probleme zu lösen.«
Obwohl er auf eine andere Antwort gehofft hatte, nahm Bruli seinen angekratzten Stolz zusammen und überstand den Rest des Abends. Seine Unterhaltung war leidenschaftslos und sein Humor augenfällig abwesend, doch Mara tat, als würde sie es nicht bemerken. Sie rief einen Poeten herein, der ihnen vorlas, während Dienerinnen Süßspeisen und Brandy reichten; und zu guter Letzt half das Getränk, denn der unglückliche Sohn der Kehotara bat schließlich um die Erlaubnis, sich zur Ruhe begeben zu dürfen. Er verschwand einfach, ganz ohne einen weiteren romantischen Annäherungsversuch, mit dem einzigen Wunsch, die Nacht ohne irgendwelche Qualen einfach nur schlafend verbringen zu können.
Nebel schwebte über den Needra-Weiden und legte sich im Mondlicht wie ein Seidentuch über die Senken. Die Nachtvögel sangen, und die Schritte eines Wachpostens gaben hin und wieder Antwort. Doch in den Gemächern der Lady im Herrenhaus zerriß noch ein anderer Klang die Stille. Papewaio stieß mit dem Fuß gegen Lujans
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