Die Stunde der Wahrheit
Stadt verlassen hat, um sich mit einem Gemüsehändler zu treffen. Ihre Unterhaltung betraf nicht das Gemüse, und es deutet alles darauf hin, daß er ein Spion der Minwanabi ist.«
Mara zupfte an einer Schleife. »Ist etwas geschehen?«
Arakasi verstand sie ohne weitere Worte. »Der erste Mann hatte einen unerfreulichen Unfall. Seine Botschaft fiel in die Hände eines anderen Gemüsehändlers, der zufälligerweise ein unerbittlicher Feind Jingus ist.« Der Supai zog ein Dokument aus seinem Gewand und reichte es Mara mit ernster Miene.
»Ihr riecht immer noch nach Seshi-Knollen«, meinte die Lady der Acoma mit gespieltem Vorwurf; dann begann sie, die Nachricht zu lesen. »Ja, dies beweist Eure Vermutungen. Es legt außerdem nahe, daß Bruli keine Ahnung davon hatte, daß ein zweiter Spion in seiner Gruppe war.«
Arakasi zog die Stirn in Falten, wie er es immer tat, wenn er etwas las, das auf dem Kopf stand. »Wenn diese Zahl stimmt, hat Bruli seinen Vater bereits nahe an den finanziellen Ruin getrieben.« Der Supai hielt inne und strich sich über das Kinn. »Mit Jicans Hilfe habe ich viele der Handwerker und Kaufleute überredet, ihre Rechnungen so lange zurückzustellen, bis wir möchten, daß sie sie losschicken. Dies ist der Lohn für Eure Praxis, die Rechnungen immer sofort zu begleichen.«
Mara nickte anerkennend. »Wieviel Zeit läßt dies den Kehotara noch?«
»Wenig. Wie lang könnte es ein Kaufmann aushalten, jemanden wie Bruli zu finanzieren? Schon bald werden sie nach dem Hadonra des Lords der Kehotara schicken, um ihr Geld einzufordern. Ich wäre liebend gern ein Insekt an der Wand, um zuzusehen, wie er den ganzen Packen Rechnungen erhält.«
Mara betrachtete den Supai mit prüfendem Blick. »Ihr habt noch mehr zu berichten.«
Arakasi zog überrascht seine Brauen hoch. »Ihr kennt mich mittlerweile ziemlich gut.« Doch ein fragender Tonfall schwang in diesem Satz mit.
Ruhig zeigte Mara auf seinen Fuß, mit dem er leicht auf den Teppich klopfte. »Ihr hört erst damit auf, wenn Ihr fertig seid.«
Der Supai mußte beinahe lächeln. »Zauberin«, sagte er bewundernd; dann wurde seine Stimme wieder ernst. »Die Partei des Blauen Rades hat gerade allen ihren Kommandeuren befohlen, sich von Midkemia zurückzuziehen, genau wie wir vermutet hatten.«
Mara kniff die Augen zusammen. »Dann haben wir keine Zeit mehr zu verlieren und müssen die Sache mit diesem eitlen und dummen Jungen schnell zu Ende bringen. In den nächsten Tagen wird sein Vater nach ihm schicken, selbst wenn er den gefährlichen Zustand seiner Finanzen noch nicht bemerkt haben sollte.« Sie klopfte geistesabwesend mit der Schriftrolle auf den Tisch, während sie über ihren nächsten Schritt nachdachte. »Arakasi, achtet darauf, daß kein Bote zu Bruli vordringt, bevor Nacoya ihn nicht davon überzeugt hat, mir die Sänfte als Geschenk zu überlassen. Und, alte Mutter, in dem Augenblick, da dies geschieht, ladet ihn wieder ein.« Maras Blick ruhte auf ihren beiden Vertrauten. »Und hoffentlich sind wir wirklich mit ihm fertig, bevor sein Vater ihm den Auftrag gibt, mich zu töten.«
Die folgenden vier Tage sandte Bruli jeden Tag ein neues Geschenk. Die Bediensteten stapelten alles in einer Ecke in Maras Arbeitszimmer, bis Nacoya sich mit säuerlicher Miene beklagte, daß der Raum wie ein Marktplatz aussähe. Der Haufen war beeindruckend – kostbare Gewänder aus feinster Seide; exotische Weine und Früchte, die unter hohen Kosten in das Kaiserreich gelangt waren; Edelsteine und sogar Schmuck aus Metall. Schließlich, am fünften Tag nach jenem Nachmittag, da sie den jungen Mann fortgeschickt hatte, kam die phantastische Sänfte an. Sofort gab Mara Arakasi den Auftrag, Bruli eine zweite Nachricht zukommen zu lassen, eine, die sie kaum einen Tag zuvor abgefangen hatten. Der Lord der Kehotara war endlich über die Exzesse seines Sohnes informiert worden und befahl dem Jungen strengstens, nach Hause zurückzukehren. In seiner Mitteilung hatte sich der alte Mann sehr genau darüber ausgelassen, was er von dem unverantwortlichen Verhalten seines Sohnes hielt.
Mara hätte amüsiert sein können, wäre Arakasi nicht so aufgebracht darüber gewesen, daß der Lord der Kehotara ohne Wissen seines Spions über die Situation hatte benachrichtigt werden können. Der Supai besaß einen empfindlichen Stolz, und er betrachtete jeden Fehler, wie klein er auch sein mochte, als persönliches Versagen in der Ausübung seiner Pflicht. Auch die
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