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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Mann spürte etwas, das ihm noch nie bei einer Frau begegnet war, und er sprang abrupt auf. Die Tassen auf dem Tisch wackelten. Die Verbindung mit den Minwanabi verlieh dem gräßlichen Rest des Trägers eine doppelte Bedeutung. Bruli zog einen Dolch aus seiner Tunika. »Ihr werdet mich nicht wie einen Verbrecher hängen, Lady.« Keyokes Hand schoß zu seinem Schwert, bereit, seine Lady zu verteidigen. Doch als Bruli die Klinge umdrehte und sie gegen seine eigene Brust richtete, erkannte der Kommandeur, daß der Sohn der Kehotara nicht vorhatte, sie anzugreifen.
    Mara schoß in die Höhe; ihre Stimme klang wie ein Peitschenhieb. »Nehmt den Dolch weg, Bruli!« Er zögerte, doch sie fuhr fort: »Niemand wird Euch hängen. Ihr seid ein Narr, kein Mörder. Ihr geht nach Hause und erklärt Eurem Vater, wie sein Bündnis mit Jingu sein Haus in Gefahr gebracht hat.«
    Beschämt und schweigend wich der gutaussehende Bewerber vor der Wucht ihrer Aussage zurück. Ganz langsam sickerte die wahre Bedeutung all der letzten Ereignisse zu ihm durch, bis er zu dem unausweichlichen Schluß kam: Er war benutzt worden, rücksichtslos, bis in seine tiefsten Gefühle. Todernst und ohne jede Spur seiner bisherigen Zuneigung verbeugte er sich. »Ich gratuliere, Lady Es ist Euch gelungen, mich dazu zu bringen, meinen Vater zu betrügen.«
    Wenn man seiner impulsiven Natur freien Lauf ließ, würde er seine beschädigte Ehre wahrscheinlich sofort wiederherstellen, indem er sich kurz hinter der Grenze der Acoma-Domäne in sein Schwert stürzte. Mara überlegte rasch; sie mußte ihm zuvorkommen, denn sein Selbstmord würde die Kehotara nur noch mehr anstacheln, den Wunsch des Lords der Minwanabi nach der Zerstörung der Acoma energisch zu unterstützen. Sie hatte einen Plan geschmiedet, doch der Tod des Jungen war dann nicht vorgesehen. »Bruli?«
    »Mylady?« Er zögerte seinen Abschied noch hinaus, doch weniger aus einem Gefühl der Hoffnung heraus als aus Resignation.
    Mara bedeutete ihm, sich zu setzen, und er gehorchte, wenn auch ziemlich steif. Bei dem Geruch des Essens wurde ihm übel, und Scham lastete auf seinen Schultern.
    Mara konnte ihm den bitteren Geschmack der Niederlage nicht versüßen; doch Buntokapi hatte sie gelehrt, sich nicht zu brüsten, wenn das Spiel ihr den Sieg beschert hatte. »Bruli, ich empfinde kein Bedauern darüber, daß ich zur Sicherheit dessen, was unter meinem Schutz steht, das Notwendige getan habe«, sagte sie sanft. »Doch ich habe kein Verlangen, Euch unnötige Schwierigkeiten zu bereiten. Daß Euer Vater meinem größten Feind dient, ist für uns beide nicht mehr als ein Geburtsfehler. Wir sollten nicht streitsüchtig sein. Ich werde die meisten Eurer exotischen Geschenke zurückgeben, wenn Ihr mir zwei Versprechen gebt.«
    In dieser mißlichen Lage schien Bruli wieder zu sich selbst zu finden. »Ich werde die Ehre der Kehotara nicht betrügen.«
    »Das verlange ich nicht von Euch.« Mara beugte sich mit ernstem Gesicht vor. »Ihr müßt versprechen, daß Ihr die Tradition der Tan-jin-qu nicht wieder erneuert, solltet Ihr Eurem Vater und Bruder als Lord der Kehotara folgen. Erklärt Ihr Euch bereit, Euer Haus frei vom Vasallentum gegenüber den Minwanabi zu halten?«
    Bruli machte eine wegwerfende Handbewegung. »Die Chancen, daß dies geschehen wird, sind sehr gering, Lady Mara.« Sein älterer Bruder war Erbe, und sein Vater erfreute sich bester Gesundheit.
    Mara deutete auf sich, als würde sie damit auf seine Bemerkung antworten; wer unter den Sterblichen konnte wissen, was das Schicksal noch bringen würde?
    Beschämt über die Hoffnung, die seine Atemzüge schneller werden ließ, fragte Bruli: »Und die zweite Bedingung?«
    »Wenn Ihr die Herrschaft erlangt, werdet Ihr mir einen Gefallen schulden.« Mara ging mit der Vorsicht eines Diplomaten vor. »Sollte ich sterben oder sollte ich nicht mehr den Mantel der Herrscherin tragen, geht Euer Versprechen nicht auf meinen Nachfolger über. Doch wenn ich lebe und Ihr Lord der Kehotara seid, werdet Ihr einmal, nur ein einziges Mal, tun, was ich von Euch verlange. Ich werde Euch möglicherweise darum bitten, eine bestimmte Handlung zu unterstützen, sei es im Handel oder in der Schlacht oder im Spiel des Rates. Bestätigt dies, und Ihr seid frei von allen zukünftigen Verpflichtungen.«
    Bruli starrte ausdruckslos auf das Tischtuch, doch seine angespannte Haltung verriet, daß er seine Möglichkeiten abwog. Mara wartete. Sie hatte die zweite Bedingung

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