Die Stunde der Wahrheit
und Schwarz geschmückt, das Zeichen seines Ranges als Erbe des Hauses.
Livrierte Diener fingen die anderen Leinen auf, als die Barke sanft gegen die Pfähle stieß. Hauswachen standen bereit, und Desio schritt Maras Sänfte entgegen, als die Träger sie ans Ufer brachten.
Der Erbe der Minwanabi nickte steif, kaum mehr als die Andeutung einer Verbeugung, was fast schon einer Beleidigung gleichkam. »Im Namen meines Vaters heiße ich Euch zu unserer Feier zu Ehren des Kriegsherrn willkommen, Lady der Acoma.«
Mara machte sich nicht die Mühe, den Gazevorhang ihrer Sänfte beiseite zu schieben. Sie betrachtete die fette, sackförmige Gestalt Desios und konnte nur wenig Intelligenz in den schiefergrauen Augen entdecken. Sie antwortete mit einem Nicken, das an Deutlichkeit seiner Begrüßung entsprach. Einen langen Moment sagte niemand etwas, dann sah Desio sich gezwungen, Maras überlegenen gesellschaftlichen Rang anzuerkennen. »Geht es Euch gut, Lady Mara?«
Mara nickte leicht. »Es geht mir gut, Desio. Die Acoma sind erfreut, Lord Almecho die Ehre erweisen zu dürfen. Sagt Eurem Vater, daß ich diese Begrüßung zu schätzen weiß.«
Desio reckte das Kinn empor; es ärgerte ihn, daß er seinen niedrigeren Rang eingestehen mußte. Er war zu stolz, um eine Ermahnung von einem Mädchen hinzunehmen, das durch den Vorhang hindurch noch wie ein Kind aussah. »Der Empfang für das Begrüßungsbankett wird eine Stunde nach Mittag beginnen. Ein Diener wird Euch zu Eurer Unterkunft bringen.«
»Die Ehre der Minwanabi liegt in den Händen von Dienern?« Mara lächelte liebreizend. »Daran werde ich mich erinnern, wenn ich den Lord, Euren Vater, begrüße.«
Desio errötete. Eine betretene Atmosphäre entstand, und ein Patrouillenführer der Minwanabi trat vor, um sie zu beenden. »Mylady, mit Eurer Erlaubnis werde ich Eure Soldaten zu dem Ort führen, der für sie ein wenig abseits vorbereitet worden ist.«
»Ich gebe Euch die Erlaubnis nicht!« sagte Mara zu Desio. »Entsprechend der Tradition bin ich befugt, fünfzig Soldaten zu meinem persönlichen Schutz bei mir zu behalten. Wenn Euer Vater etwas anderes wünscht, werde ich sofort abreisen, und er kann meine Abwesenheit dem Kriegsherrn erklären. Ich vermute, unter solchen Umständen werden die Acoma nicht das einzige große Haus sein, das umkehrt.«
»Zu viele Familien sind gekommen, um Almecho zu ehren.« Desio hielt inne. »Ihr müßt verstehen, wenn wir die Ehrenwachen jedes Lords und jeder Lady in den Baracken beim Haus unterbringen würden, wäre das Gut vollgestopft wie ein Kriegslager. Almecho liebt Ruhe. Um ihn zu ehren, werden alle Soldaten am Taleingang bleiben, wo unsere Hauptgarnison untergebracht ist.« Desio zuckte schwach mit den Achseln. »Es gibt keine Ausnahmen. Alle werden gleich behandelt.«
Ohne zu zögern schaltete sich Nacoya ein: »Dann bürgt Euer Vater mit seiner Ehre für die Sicherheit?«
Desio nickte. »Offensichtlich.« Damit Gäste in einer solchen Situation eine klare Zusage für ihre Sicherheit erhielten, haftete der Gastgeber gewöhnlich mit seiner persönlichen Ehre für die Sicherheit seiner Gäste. Sollte trotz eines solchen Arrangements einer der Besucher Opfer einer Gewalttätigkeit werden, konnte Lord Jingu von den Minwanabi die Schande durch nichts Geringeres auslöschen als durch seinen eigenen Tod. Der Erbe der Minwanabi sprach mit einem Diener. »Führe die Lady, ihre Erste Beraterin, zwei Zofen und ihren Leibwächter zu den Zimmern, die für die Acoma vorbereitet sind.«
Er schnippte mit seinen Fingern zu einem Offizier mit einem Federbusch in Orange. »Truppenführer Shimizu und einige Soldaten werden dafür sorgen, daß Eure Soldaten in den Baracken der Hauptgarnison gut untergebracht sind.«
Mara war erschreckt und verärgert, aber doch nicht ganz überrascht darüber, daß der Lord der Minwanabi dafür gesorgt hatte, sie von ihrer Ehrenwache zu trennen. Sie warf Arakasi einen beschwichtigenden Blick zu. Sie würde den Frieden der Gastfreundschaft nicht stören, indem sie jetzt Unruhe verbreitete, besonders nicht, da viele der anwesenden Hausdiener die Narben früherer Schlachten unter den weiten Ärmeln ihrer Livrees trugen. Nein, die Acoma würden nicht mit Gewalt triumphieren, sondern durch List und Tücke – wenn sie überhaupt die Möglichkeit hatten zu überleben. Mit einem zustimmenden Blick wählte Mara Papewaio als ihren Leibwächter. Dann folgte sie mit Nacoya, zwei Dienerinnen und dem erfahrensten und
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