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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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fähigsten ihrer Krieger dem Diener zu der Zimmerflucht, die den Acoma zugewiesen worden war.
    Das Haus der Minwanabi war außerordentlich alt. Feuersbrünste hatten es verschont, und auch die Verheerungen längst vergessener Schlachten und halberinnerter Kriege hatte es durch die hervorragend geschützte Lage im Tal überstanden.
    Der für die tsuranischen Häuser übliche rechteckige Grundriß mit einem Hof im Innern war im Laufe der Jahre viele Male geändert, ausgebaut, erweitert und geteilt worden. Die Anlage war langsam den Hügel hinabgewandert, als neue Bauten hinzugefügt worden waren, und das Herz des Gutes der Minwanabi war über die Jahre angeschwollen, bis es zu einem Gewirr aus Gängen, Innenhöfen und miteinander verbundenen Gebäuden geworden war, in dem Regelmäßigkeit und Ordnung nur noch als Hauch der Erinnerung an ein ehemals gültiges Prinzip existierten. Während Papewaio ihr aus der Sänfte half, erinnerte sich Mara bestürzt daran, daß sie auf Bedienstete angewiesen sein würde, um sich von oder zu ihren Gemächern führen zu lassen, denn die Struktur war so komplex, daß man sie sich nicht beim ersten Hindurchgehen merken konnte.
    Die Gänge wanden und schlängelten sich, und jeder Hof schien wie der andere zu sein. Mara hörte das Gemurmel von Stimmen durch halbgeöffnete Läden; einige gehörten vertrauten Edlen des Kaiserreiches, doch die meisten waren ihr fremd. Dann schienen die Stimmen weit zurückzubleiben, und eine Stille wie die vor dem Angriff eines Dschungelraubtiers legte sich über den eleganten Korridor. In dem Augenblick, da der Diener den Laden zu ihrer Suite öffnete, wußte Mara, daß Jingu sie töten wollte. Warum sonst hatte er sie in einer solch finsteren Ecke seines Hauses untergebracht, wo sie von den anderen beinahe vollkommen isoliert waren?
    Der Diener verneigte sich, lächelte und erklärte, daß zusätzliche Zofen der Lady der Acoma oder ihrer Ersten Beraterin zur Verfügung stehen würden, falls sie Hilfe beim Bad oder Anziehen benötigten.
    »Meine eigenen Dienerinnen werden genügen«, sagte Mara scharf. Gerade hier, an diesem Ort, wollte sie keine Fremden in ihrer Nähe haben. Sobald die Träger ihr letztes Gepäckstück hineingetragen hatten, schloß sie den Laden. Papewaio brauchte keine Aufforderung, um mit einer schnellen und aufmerksamen Untersuchung der Räume zu beginnen. Nacoya jedoch schien beinahe unter einer Art Schock zu stehen. Dann begriff Mara. Bis auf eine einzige, kurze Reise – als sie dem Sohn der Anasati Maras Heiratsangebot unterbreitet hatte – hatte die alte Zofe vermutlich niemals in ihrem ganzen Leben die Ländereien der Acoma verlassen.
    Die Erinnerung an Lano gab Mara die Fähigkeit zu handeln. Sobald Papewaio die Räume für sicher befunden hatte, ließ sie ihn an der Tür Position beziehen. Nacoya sah ihre Herrin an, und Erleichterung trat in ihre Augen. »Wenn Jingu für die Sicherheit seiner Gäste haftet, können wir vielleicht erwarten, daß der Frieden eines Staatsaktes bewahrt bleibt.«
    Mara schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, der Wunsch hat Sand in deine scharfen Augen gestreut, alte Mutter. Jingu bietet sein Leben als Garantie gegen gewaltsame Angriffe durch seine Leute und die der anderen Gäste, das ist alles. Er übernimmt keine Haftung für ›Unfälle‹.« Sie wartete nicht, bis die Furcht Besitz von ihr ergriffen hatte, sondern befahl Nacoya schnell, ein Bad für sie vorzubereiten und sie für das Bankett und ihre erste persönliche Begegnung mit dem Lord der Minwanabi herzurichten.

    Im Gegensatz zur großen Halle der Anasati, die dunkel und stickig gewesen war und nach altem Wachs gerochen hatte, schien der Versammlungsraum der Minwanabi weiträumig und hell. Mara blieb in dem galerienartigen Eingang stehen und bewunderte den Anblick, bevor sie sich zu den anderen Gästen gesellte, die sich wie federgeschmückte Vögel unten versammelt hatten. Der Raum war in eine natürliche Höhle am Kamm des Hügels gebaut worden, und er war riesig; Eingang und Podest lagen sich auf entgegengesetzten Seiten gegenüber. Das hohe Dach war eine Konstruktion aus Balken und Papierläden, die sich zum Himmel hin öffneten; der Boden war tief eingelassen. Mehrere kleinere Galerien säumten die Halle; sie ermöglichten nicht nur den Blick auf die untere Etage, sondern von Balkonen aus auch den auf die Landschaft der Umgebung. Steinerne Säulen stützten den Baum in der Mitte, während ein Bach in einem Kiesbett durch kleine

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