Die Stunde Der Woelfe
sich einen Packen Autopsieberichte durchzusehen und herauszufinden, wie viele dieser Leute mit Silberkugeln erschossen worden sind.«
»Das werde ich meiner Liste hinzufügen«, sagte ich ins Mikrofon. »Ãberprüft die Polizei Kugeln nach ihrem Silbergehalt?«
»Das sollten sie«, sagte die Anruferin aufgebracht. »Ist doch ziemlich offensichtlich, oder?«
»In der Tat. Danke für deinen Anruf. Hier spricht Kitty, und falls ihr gerade erst eingeschaltet habt, ich lege eine Liste mit Fragen an, die Gesetzeshüter sich vielleicht bei gewissen Verbrechen stellen sollten. Unser Thema heute Nacht ist der Gesetzesvollzug und das Ãbernatürliche. Ich habe hier landesweite Verbrechensstatistiken, eine Aufschlüsselung sämtlicher Morde, die sich im letzten Jahr in den Vereinigten Staaten zugetragen haben â Mordwaffen, Todesursachen, all so etwas. Hier heiÃt es, in den Polizeiberichten steht, dass vierzehn Menschen letztes Jahr mit einem Pfahl das Herz durchbohrt worden ist. Von diesen vierzehn sind acht auch noch geköpft worden, und drei fand man mit Kruzifixen behängt. Alle wurden als, Zitat, âºRitualmordeâ¹, Zitatende, zu den Akten gelegt. Ganz meine Meinung. Meine Frage lautet nun, haben sie überprüft, ob es sich bei diesen Mordopfern tatsächlich um Vampire
handelte? Konnten sie es überhaupt überprüfen? Wahrscheinlich nicht. Manche Vampirarten zerfallen, sobald sie sterben. Allerdings gibt es einen CDC-Bericht, in dem Tests beschrieben werden, wie sich Lykanthropen und Vampire identifizieren lassen. Gehen wir zum nächsten Anrufer über. Hallo Ray, du bist live auf Sendung.«
»Hi Kitty. Ich möchte nur einen Punkt ansprechen, der dir zu entgehen scheint: Wenn diese vierzehn âºMordopferâ¹, wie du sie nennst, tatsächlich Vampire gewesen sind, handelt es sich dann wirklich um Mord?«
Ooh, eine Kontroverse! »Was meinst du?«
»Na ja, ich würde es Selbstverteidigung nennen. Vampire sind Raubtiere, und ihre einzige Beute sind Menschen. Die Menschheit hat ein ureigenes Interesse daran, sich ihrer zu entledigen, wann immer möglich.« Das klang wie ein Viehzüchter, der über Wölfe sprach.
»Herrgott, Ray. Ein paar meiner besten Freunde sind Vampire. Und wenn die betreffende Vampirin nie jemanden umgebracht hat? Sagen wir mal, sie holt sich nur Blut von freiwilligen Spendern, bleibt ansonsten für sich, macht keinen Ãrger. Dann kommt eines Tages ein kreuzzüglerischer Vampirjäger daher und pfählt sie, bloà weil sie ein Vampir ist.«
»Das geschieht nun schon seit Jahrhunderten. Ich glaube, du bist die Erste, die es Mord nennt.«
»Bin ich nicht. Und auch wenn ich jetzt wahrscheinlich viele Leute da drauÃen auf vielfache Weise vor den Kopf stoÃe: Die Nazis haben auch nicht von Mord gesprochen.« Ich warf ihn aus der Leitung, bevor er empört reagieren konnte. »Versuchen wir es mit einem anderen Gedankenexperiment.
Wir haben einen Werwolf, einen Vampir, was auch immer. Er hat jemanden ohne guten Grund getötet. Was sollte geschehen? Wenn es sich um einen normalen Menschen handelte, würde er verhaftet werden, vor Gericht stehen und wahrscheinlich für eine lange Zeit ins Gefängnis wandern. Vielleicht würde sogar die Todesstrafe verhängt, wenn die Situation es rechtfertigte. Nehmen wir nun einmal den Werwolf. Können wir einen Werwolf für längere Zeit ins Gefängnis stecken? Was werden sie bei Vollmond mit ihm anstellen? Oder der Vampir â ist euch eigentlich klar, dass es überhaupt nicht praktikabel wäre, einen Vampir zu lebenslanger Haft zu verurteilen? Ich habe Timothy in der Leitung. Hallo.«
Der Anrufer sagte mit einer tiefen, glatten Stimme: »Natürlich ist es nicht praktikabel, einen Vampir zu lebenslanger Haft zu verurteilen. Meiner Meinung nach gäbe es keine andere Möglichkeit, als einen Vampirjäger mit dem Problem zu betrauen. Dafür sind sie da.«
»Du sagst also, der Gesetzesvollzug sollte sich völlig aus der Sache heraushalten. Wir lassen einfach die Vampirjäger nach Gutdünken schalten und walten.«
»Selbstverständlich nicht. Es sei denn, die Vampire dürfen Jagd auf die Jäger machen, nach Gutdünken, wie du es nennst.«
Ich tippte darauf, dass er ein Vampir war. Er hatte diesen arroganten Tonfall und diese präzise Ausdrucksweise, die darauf schlieÃen
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