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Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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weit aufgerissenen Augen stierte sie auf das zersplitterte Ende des Stabes, das sie noch in der Hand hielt.
    Lankohr fühlte sich im Rausch des Sieges, stieß das zweite Mädchen von sich und entriß der anderen den Zauberstab, bückte sich und hob auch das abgeschlagene Stück auf und schleuderte beides zusammen zwischen die Aasinnen, die Heeva bedrängten.
    Zum erstenmal wurde ihm nun wirklich bewußt, daß er sie nicht mehr missen mochte. Sie konnte Mythor nicht verraten haben, wie hatte er so etwas überhaupt jemals annehmen können?
    Lankohr wuchs förmlich über sich selbst hinaus. Er stimmte in das Keifen ein, zerrte die Angreiferinnen zurück, stieß sie von sich… Die Aasinnen flohen. Erst als wieder Stille in diesem Teil der Lichtinsel einzog, wurde ihm bewußt, was er getan hatte.
    Heeva stand neben ihm, die Arme ausgestreckt und ihren Zauberstab schützend vor sich haltend.
    »Dein Mut und meine Magie haben uns geholfen«, murmelte sie. »Ich danke dir.«
    Zärtlich legte sie ihren Kopf an seine Schulter, und er ließ sie gewähren. Es erfüllte ihn sogar mit Freude, daß Heeva ihn zum Gefährten erwählt hatte.
    Sie war wirklich anders als all die Mädchen, die er kannte. Wie hatte sie es nur so lange unter Zaems Herrschaft ausgehalten? Aber egal - was geschehen war, würde bald vergessen sein. Allein die Zukunft zählte, die vor ihnen lag.
    Lankohr legte seinen Arm um ihre Hüfte und zog sie näher an sich heran. Aus ihrem Gesicht sprach Glück, und das war es auch, was er empfand.
    Mit einer hastigen Bewegung wischte sie ihr weißblondes Haar zur Seite, dann berührte ihre Nase zärtlich die seine. Lankohr hätte so ewig verharren können, doch ihre Worte schreckten ihn auf:
    »Wir müssen weiter, oder denkst du nicht mehr an Mythor?«
*
    Das Erwachen erfolgte ohne jeden Übergang. Von einem Herzschlag zum andern fand Mythor sich in der Welt wieder, die er kannte, wenngleich er nicht zu sagen vermochte, wo er sich befand. Denn dies war nicht mehr die Nähe von Fronjas Schrein. Er spürte es daran, daß die Übelkeit rasch von ihm wich, und er sah es an der milchig leuchtenden Decke, die knapp zwei Körperlängen über ihm dem Blick Einhalt gebot.
    Jäh wollte er sich aufrichten, aber eine sanfte Hand drückte ihn zurück. Gleichzeitig schob sich ein uraltes, gütig wirkendes Antlitz in sein Blickfeld. Diesmal allerdings drückte sich Tadel in den Augen aus.
    »Du hättest auf mich warten sollen, Sohn des Kometen«, sagte die Zaubermutter Zahda mit leiser Stimme. »Nun weißt du zwar, wonach du bislang suchtest, doch der Schreck dieser Erkenntnis wird dich so schnell nicht loslassen.«
    »Es gibt vieles, womit man sich abfinden muß«, erwiderte Mythor zögernd, »und es wird wohl immer so sein, daß das Schöne stets mit Dingen verbunden ist, die das Gegenteil bewirken. Ich habe gelernt, Niederlagen einzustecken und trotzdem nie die Hoffnung zu verlieren, und ich glaube kaum, daß der Schreck noch in mir sitzt. - Wie komme ich hierher?«
    »Ich fand dich auf den Stufen zu Fronjas Schrein liegend, nachdem Rii davongelaufen war, weil sie befürchtete, sie hätte deinen Tod verschuldet . Du warst besinnungslos.«
    »Ich ahnte nicht, daß der Schrein von einer derartigen Größe ist«, sagte Mythor. »Wen stellt das Bildnis dar? Die Urmutter Vanga?« Als Zahda wortlos nickte, fuhr er fort: »Was mich gelähmt hat, war die Ausstrahlung jenes Himmelssteins, von dem auch Zaem einen Splitter besitzt. Wurde der Schrein ganz oder zum Teil aus einem solchen Meteor herausgeschlagen?«
    Zahda sah ihn lange und nachdenklich an, ehe sie antwortete.
    »Fronjas Heimstatt besteht zur Gänze aus dem Stein, dessen fremdartige Aura sie in tiefen Schlaf versetzt und über Jahre hinweg träumen läßt, ohne daß sie während dieser Zeit altert. Ihr Körper bleibt frisch wie der eines jungen Mädchens.
    In ganz Vanga bist du seit vielen Großkreisen der einzige Mensch, der auf die gleiche Weise wie sie auf diesen Meteorstein reagiert - das ist Beweis genug für eure gemeinsame Abstammung.«
    Mythor horchte auf. Ähnliches hatte er erst vor kurzem vernommen.
    »Welcher Abstammung?« brach es aus ihm hervor. »Was weißt du von Fronja und mir, was ich bisher nicht erfahren habe? Woher kommen wir?
    Ist Vanga unsere Heimat, oder sind wir beide vom Himmel gefallen, wie ich es vor nicht allzu langer Zeit noch glaubte - Fronja im Süden, in der Welt der Frauen und ich im Norden, dessen Stammvater Gorgan, der Krieger, gewesen sein

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