Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1
konnte. Über die ist er wohl gekommen. Mit dem Schleier konnte er schnell wieder verschwinden.«
»Hast du ihn jemals gesehen, wenn Michael dabei war?«, fragte Cat.
»Nein. Aber ich habe ihn einmal gesehen, als ich allein in Michaels Wohnung war. Jack hat behauptet, er würde ihn beobachten. Michaels Schlafzimmer und meins sind … waren Wand an Wand.« Ich starrte auf die Erde. Ich wollte nicht daran denken, wo er geschlafen hatte. Ich wollte nicht daran denken, wie sehr ich mich zu ihm hingezogen gefühlt hatte, trotz der Betonwand zwischen uns. »Der Schleier wird anscheinend von den zwei Zimmern geteilt.«
Liam strich sich über seinen Bart. Sicher eine nervöse Angewohnheit, so wie Michael immer an seinem Ring gedreht hatte. Die Erinnerung daran schnitt mir ins Herz.
»Aber wie?« Cats Gesicht war aschfahl. »Er ist nicht Träger des Zeitreise-Gens.«
Liam erhob sich und fing an, auf und ab zu gehen. »Es wird gemunkelt, dass es Möglichkeiten gibt, auch ohne das betreffende Gen auf Zeitreise zu gehen, aber das verstößt gegen alle Prinzipien, für die Hourglass steht – gegen die Gesetze der Natur und der Menschen. Die Kosten wären ungeheuerlich.«
»Landers schert sich nicht um irgendwelche Gesetze.« Blätter regneten auf uns herab, als Kaleb mit der Faust auf den Baumstamm drosch. »Er schert sich nur um sich selbst.«
»Welche Art von Kosten?«, fragte ich Liam. »Wer würde ihn zwingen, sie zu zahlen?«
Er blieb stehen. »Unter anderem das Universum selbst.«
»Das Phänomen der Zeitlosen verändert sich. Anfangs hab ich immer nur eine Person gesehen, jetzt sehe ich Gruppen, Teile einer Szenerie. Ich dachte, Jack würde dazugehören oder zu irgendetwas Neuem, das ich noch nicht verstanden hatte.«
»Du siehst ganze Szenen?« Liams Blick war so intensiv, dass sich mein Herz zusammenkrampfte. »Mehrere Personen?«
»Was bedeutet das?«, fragte ich beklommen.
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte er. »Aber wenn immer mehr Zeitlose durch das Gewebe der Zeit quellen, müssen wir uns um mehr Dinge sorgen als um Jonathan Landers.«
Obwohl Liam am Leben und bereit war, die Kontrolle über Hourglass wiederzuerlangen, hatte Jack immer noch genug Informationen, um gefährlich zu sein. Informationen über mich, über meine Familie. Er hatte Namen und Adressen von Leuten, die über besondere Fähigkeiten verfügten. Ob ich seine Zielscheibe war oder nicht, ich hatte keinen Zweifel, dass er versuchen würde, jeden Einzelnen auf seiner Liste auszunutzen.
»Wir müssen ihn finden.« Kaleb trat in den Laubhaufen, der auf dem Rasen entstanden war. »Wir müssen in Ems Wohnung und ihn von der Brücke ziehen.«
»Ich glaube nicht, dass er sich noch dort aufhält. Er hat sich von mir verabschiedet. Liam, Sie haben Cat erzählt, das Labor sei explodiert. Von einem Moment auf den anderen in die Luft geflogen. Haben Sie auch die Personen gesehen, die zugeschaut haben, als es niederbrannte?«
Liam nickte. »Ich hatte gehofft, ich hätte die Identität einer der Personen schützen können.«
»Einer der Personen?«, unterbracht Kaleb ihn. »Landers hatte einen Komplizen?«
»Ich glaube nicht, dass sie wusste, was sie tat«, sagte Liam leise. »Ich glaube, sie wurde benutzt.«
»Sie?«, fragte Kaleb. Da keiner antwortete, zählte Kaleb selbst eins und eins zusammen. Er stieß eine Reihe wüster Flüche aus. »Miststück!«, beendete er seine Schimpftirade.
»Mein Sohn …«
»Ava ist hergekommen, um ihre Gabe zu verbergen«, schnitt Kaleb seinem Vater das Wort ab. »Das war schon verdächtig genug. Aber du willst sie doch wohl nicht im Ernst verteidigen, obwohl sie sie eingesetzt hat, um dich hochgehen zu lassen?«
»Sie ist eine Brandstifterin?«, fragte ich und hatte ein Bild der kleinen Drew Barrymore aus Der Feuerteufel im Kopf. Kaleb hatte Avas Spitznamen der falschen Stephen-King-Verfilmung entnommen.
»Avas Gabe ist vielschichtig«, erwiderte Liam. »Wir glauben, sie kann Dinge bewegen, Objekte durch die Zeit schieben.«
»Sie glauben? Heißt das, Sie wissen es nicht?«, fragte ich.
»Wie Kaleb sagte, ist Ava zu Hourglass gekommen, weil sie ihre Fähigkeiten loswerden wollte. Ich hab ihr nie widersprochen, sondern nur versucht, ihr das Leben leichter zu machen, als es zuhause für sie war. Offensichtlich hatte Landers andere Absichten. Und größeren Einfluss auf sie.«
»Wo mag Ava jetzt sein?«, fragte ich.
Wieder regneten Blätter vom Baum, und Kaleb stöhnte frustriert und gequält
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