Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
Vom Netzwerk:
und Ohrringe abgekauft hatte. Er lächelte auf ähnlich sanfte Weise wie bei ihrer ersten Begegnung und blieb neben Ferruccio stehen.
    «Brauchen Sie etwas, Signore?»
    Teo sah nicht aus wie ein Butler. Er trug Jeans und ein Sweatshirt mit langen Ärmeln. Seine Füße steckten in Turnschuhen.
    «Nein, ich brauche nichts, Teo. Aber diese Dame hier möchte dich kennenlernen, und ich denke, dass Sie auch ein paar Fragen an dich hat.»
    Erst jetzt richtete Teo seinen Blick auf Laura, doch seine Augen blieben gleichgültig.
    «Ja, Signora?»
    «Ich wollte Sie fragen, warum Sie mich kürzlich beim Telefonieren beobachtet haben? Oben auf der Düne. Sie saßen in der Macchia. Dann haben Sie sich weggeschlichen, und ich bin Ihnen gefolgt.»
    «Ach das …» Er machte eine vage Handbewegung, lächelte. «Ich bin gern am Strand und in der Macchia. Ich wollte Sie nicht beobachten, Signora. Ich gehe eben so herum, wenn ich frei habe. Es ist hier sehr schön. Tut mir leid, wenn ich sie gestört habe.»
    «Aber Sie haben auch meinen Partner beobachtet. Das kann kein Zufall sein!»
    «Doch, doch. Ich laufe immer am Strand entlang und durch die Gärten. Um diese Jahreszeit ist ja niemand da.»
    «Wenn Sie so häufig unterwegs sind … haben Sie vielleicht gesehen, wer bei unserem Haus die Tür eingeschlagen hat?»
    Teo zog die Schultern hoch und drehte die hellen Handflächen nach außen. «Nein, Signora. Davon habe ich nichts mitbekommen. Nur gehört habe ich davon. Von Fabrizio.»
    «Dann sind Sie also gar kein Wanderhändler, Teo.»
    Er verzog ein bisschen das Gesicht.
    «Doch, Signora. Aber Signor Ferruccio hat mir einen Job gegeben, und ich hab ihn angenommen. Der Winter kommt, Signora.»
    «Ja, ich weiß.»
    «Brauchen Sie mich noch, Signora? Ich bin nämlich gerade dabei, das Mittagessen zu machen.»
    «Nein, gehen Sie nur, Teo.»
    Er lächelte mit seinen vollen dunklen Lippen und den sehr weißen Zähnen, verbeugte sich leicht und schloss leise die Tür hinter sich.
    «Sie müssen ein sehr guter Mensch sein, wenn Sie einem afrikanischen Händler ein Dach über dem Kopf geben. Und sehr vertrauensvoll.»
    «Sehr egoistisch würde es besser treffen. Die Frau aus Portotrusco, die sonst jeden Tag zu mir kommt, hat nur noch dreimal in der Woche Zeit. Und Teo wohnt hier. Dann ist es nicht so einsam. Ich meine, nicht dass mir das Alleinsein etwas ausmachen würde. Ich bekomme eine Menge Besuch, und ich bin außerdem gern allein. Für meinen Beruf braucht man das Alleinsein. Aber das Leben mit Teo ist angenehmer. Ich hoffe, dass er länger bleiben wird. Nicht nur in den Wintermonaten. Aber davon abgesehen: Ich weiß noch immer nicht, wie Sie auf George Bernard Shaw gekommen sind.»
    «Ich lese gern, und ich liebe gute Aphorismen.»
    «Das verbindet uns, Signora. Darf ich jetzt noch einmal raten, welchen Beruf Sie haben?»
    «Nein, ich glaube nicht.»
    «Weshalb nicht?»
    «Weil Sie ein sehr guter Menschenkenner sind, Signor Ferruccio.»
    «Ach, Sie fürchten die Wahrheit?»
    «Nein, aber man muss sie ja nicht unbedingt aussprechen.»
    Der alte Dichter lehnte sich zurück und lachte herzlich.
    «Ich glaube, ich gehe jetzt besser», murmelte Laura und stand auf.
    «Schade. Es macht Spaß, sich mit Ihnen zu unterhalten. Ein richtiges Ratespiel.»
    «Vielleicht können wir unsere Unterhaltung fortsetzen, wenn dieses Ratespiel zu Ende ist.»
    «Noch ein Rätsel?»
    «Kein größeres als Ihres.»
    Gemeinsam mit Bruno, dem Hund, begleitete er sie zur Tür.
    «Mir ist gerade noch ein Spruch von Shaw eingefallen, den ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte, Signora.»
    «Ja?»
    «Es wird immer etwas geben, wofür es der Mühe wert sein wird zu leben.»
    «Lebenslängliche Glückseligkeit? Kein Sterblicher kann das ertragen! Es wäre die Hölle auf Erden!», gab Laura zurück.
    Ferruccio kicherte. «Wir müssen uns unbedingt wiedersehen, Signora. Bis dahin frische ich meinen Aphorismenschatz auf, dann können wir uns mit den Worten der großen Denker unterhalten. Es wäre mir ein Vergnügen. Ich schreibe übrigens zur Zeit Haikus. Das ist nicht einfach. Mein neuester ist mir kurz vor dem Sturm eingefallen. Wollen Sie ihn hören?»
    «Ich bitte darum.»
    «Sieh! Die Zikaden ziehen
    ihre Flügel an.
    Bald wird es Regen geben.»
    «Schön. Ich danke Ihnen. Arrivederci!»
    «Arrivederci, Signora.»
    Die Carabinieri waren verschwunden. Sie hatten nicht am Haus des alten Dichters geklopft.

 
    DAS GESPRÄCH mit Tuttoverde hatte Guerrini in einem

Weitere Kostenlose Bücher