Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
Vom Netzwerk:
die Hand hin und stellte sich vor. «Ich habe einige Ihrer Geschichten über die Toskana gelesen und war einfach neugierig.»
    «Das ehrt mich. Aber wie kommen Sie dazu, Shaw zu zitieren?»
    «Diesen Spruch habe ich vor ein paar Wochen über meinen Schreibtisch gehängt, Signor Ferruccio. Er schien mir sehr gut zum Leben zu passen.»
    «Haben Sie einen gefährlichen Beruf?»
    «Hin und wieder ist er gefährlich. Aber für mich gilt das Zitat von Shaw eher für das Leben im Allgemeinen.»
    Alberto Ferruccio antwortete nicht, beobachtete Laura mit wachsamen Augen. Sein kleiner Hund lief steifbeinig zur Fensterwand und lauschte mit aufgestellten Ohren nach draußen.
    «Waren die Carabinieri schon bei Ihnen?», fragte Laura.
    «Nein, aber ich erwarte sie. Fabrizio hat mich vorgewarnt.»
    «Bei uns waren sie schon. Ich nehme an, dass diese Aktion dem verschwundenen Wärter gilt.»
    «Möglich.»
    «Wussten Sie, dass er verschwunden ist?»
    «Natürlich. Fabrizio erzählt mir alles, was im Resort geschieht.»
    «Hat er Ihnen auch von dem afrikanischen Händler berichtet, der sich offensichtlich hier aufhält?»
    «Ein Afrikaner?» Ferruccio wirkte interessiert.
    «Ja, ich habe ihm eine Sonnenbrille abgekauft. Er war am Strand langgelaufen, wie alle Händler es machen. Aber am Tag danach schlich er um unser Haus, dann beobachtete er mich beim Telefonieren, und ich folgte ihm bis in die Nähe Ihrer Villa. Plötzlich war er verschwunden. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob Sie ihn gesehen haben. Mir ist die Sache inzwischen unheimlich.»
    Ferruccio lächelte, faltete seine blassen Hände, besah sie, legte sie in den Schoß und schaute dann genau in Lauras Augen.
    «Der einzige Afrikaner, den ich in dieser Gegend kenne, heißt Teo und ist seit ein paar Wochen mein Butler, mein Betreuer, mein Helfer. Warum haben Sie Fabrizio nicht nach ihm gefragt? Er hätte es Ihnen erzählen können.»
    Nein, dachte Laura. So einfach kann sich diese Geschichte nicht auflösen. Ein paar Sekunden lang fühlte sie sich völlig verwirrt, dann wurde sie zornig. Als sie gerade zu einer neuen Frage ansetzen wollte, kam ihr der Dichter zuvor.
    «Es gibt noch einen Spruch von Shaw, der jetzt genau passt. Wollen Sie ihn hören?»
    Laura zuckte die Achseln.
    «Das Gefühl ist es, das den Menschen zum Denken anregt, und nicht das Denken, das ihn zum Fühlen anregt.»
    «Ach, und was fühle ich gerade?»
    «Sie sind wütend. Warum, Signora?»
    «Weil ich Ihnen nur bedingt glaube, Signor Ferruccio. Weil ich vielen Menschen in meiner Umgebung zur Zeit nur bedingt glauben kann. Also jetzt die Frage: Betreibt Ihr Butler Teo nebenher noch einen Handel mit Sonnenbrillen und Modeschmuck?»
    «Ich weiß es nicht. In seiner Freizeit kann Teo machen, was er will.»
    «Auch andere Leute beobachten? Vielleicht sogar in Häuser eindringen, um etwas zu suchen?»
    «Ich glaube nicht, dass er das macht, Signora.»
    «Ist bei Ihnen vor ein paar Tagen eingebrochen worden?»
    Ferruccio schüttelte den Kopf.
    «Aber bei uns und bei den Schweizern.»
    «Und wie kommen Sie darauf, Teo zu verdächtigen?»
    «Weil er uns beobachtet hat.»
    «Soll ich ihn rufen?»
    «Das wäre nicht schlecht.»
    «Also werde ich ihn rufen.»
    Alberto Ferruccio stand auf, ging zu einer Tür, die offensichtlich zu den anderen Zimmern des Hauses führte, öffnete sie und rief erstaunlich laut: «Teo!»
    Irgendwoher kam eine Antwort, die Laura nicht verstand.
    «Er wird gleich hier sein.» Ferruccio ließ sich Laura gegenüber auf einem der Sofas nieder, lächelte freundlich und ein wenig abwesend.
    «Darf ich raten, welchen Beruf Sie haben, Signora?»
    «Bitte.»
    «Meeresbiologin.»
    Laura brach in Gelächter aus.
    «Das hat Fabrizio ausgeplaudert, oder?»
    «Ja, aber ich glaube ihm nicht.»
    «Glaubt hier eigentlich irgendwer irgendwem irgendwas?»
    «Nein, ich glaube nicht.» Auch Ferruccio lachte. «Was also sind Sie wirklich, Signora?»
    «Vor allem ein Mensch, der Urlaub macht.»
    «Im Haus von Colalto? Sie müssen reich sein, Signora.»
    «Mein Freund bezahlt.»
    «Dann muss er reich sein.»
    «Ich glaube nicht.»
    «Nur Reiche können sich diese Häuser hier leisten, Signora. Reiche oder Freunde der Besitzer. Ist er ein Freund des Conte?»
    «Ein Jugendfreund.»
    «Da haben Sie es.»
    «Kennen Sie den Conte und seine Schwester?»
    «Flüchtig. Immerhin wohne ich schon seit beinahe zwanzig Jahren hier. Ah, da kommt Teo!»
    Es war unverkennbar der wandernde Händler, dem Laura eine Sonnenbrille

Weitere Kostenlose Bücher