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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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um Orecchio, und ich kenne den Alten schon seit meiner Jugendzeit. Leider hat die Befragung nichts erbracht. Die alte Dame hat keine Ahnung, was mit ihrem Sohn geschehen ist.» Guerrini sprach ernsthaft und gleichzeitig auf bewundernswerte Weise leichthin. Laura war beeindruckt, der Carabiniere offensichtlich auch. Trotzdem blieb er hartnäckig.
    «Warum haben Sie der Signora Orecchio nicht Ihren Dienstausweis gezeigt?»
    «Weil ich im Urlaub bin.»
    Wieder bewegte der Offizier seinen Nacken hin und her, offenbar fühlte er sich unbehaglich.
    «Sonst ist Ihnen nichts aufgefallen, Commissario?»
    «Nein, nicht viel jedenfalls. Manchmal taucht hier ein Schwarzer auf, den ich nicht einordnen kann. Aber sonst …» Guerrini zuckte die Achseln.
    «Was ist eigentlich mit Ihrem Wagen passiert, Commissario?»
    «Ach, Sie meinen die rote Farbe? Das war der Racheakt eines Kriminellen, ehe ich in den Urlaub aufbrach. Passiert so was bei Ihnen nie?»
    Der Carabiniere zuckte die Achseln.
    «Und der Unfall?»
    «Welcher Unfall?»
    «Na, Sie haben eine Menge Kratzer und Beulen an Ihrem Lancia!»
    «Ach so. Das war ein Zusammenstoß mit einem Pflug, der unbeleuchtet auf einer Landstraße abgestellt war. Nicht wahr, cara. Das war ein ziemlicher Schreck für uns beide.» Guerrini legte den Arm um Lauras Schultern. «Ich hoffe, dass Sie nun zufrieden sind, Kollege. Wir haben nämlich Hunger nach unserem kühlen Bad im Meer.»
    Der Carabiniere nickte und machte einen Schritt zur Terrassentür, zögerte dann aber.
    «Ich denke, dass auch der Maresciallo mit Ihnen reden wird, Commissario Guerrini. Buon giorno.»
    «Er ist mir willkommen. Buon giorno!»
    Der Offizier tippte zwei Finger an seine Mütze und verschwand gemeinsam mit den anderen Polizisten durch den Garten.
    «Nicht gut!», sagte Laura. «Der hat uns kein Wort geglaubt.»
    «Nein, das hat er sicher nicht. Aber mich würde allmählich interessieren, ob die mit Tuttoverde zusammenarbeiten oder ob hier jeder macht, wozu er gerade Lust hat.»
    «So wie wir?»
    «Ja, so kommt es mir vor», grinste Guerrini.
    «Rom?»
    «Tee! Heißer Tee, amore!»
    «Nach dem Tee Rom?», murmelte Laura, als sie hintereinander die Wendeltreppe zur Küche hinaufstiegen. «Irgendwie erscheint mir das sicherer!»
    «Vielleicht sollten wir wirklich fahren.» Guerrini füllte den Wasserkocher, während Laura Teeblätter in die Kanne streute. «Auf dem Weg nach Rom könnten wir Tarquinia und Tuscania besuchen, den Bolsenasee. Es ist wahrscheinlich klüger, wenn wir den eifrigen Kollegen das Feld überlassen. Tuttoverde ist ein guter Mann. Die brauchen uns nicht.»
    «Es wird einen seltsamen Eindruck machen, wenn wir plötzlich das Feld räumen, obwohl wir das Haus länger gemietet haben.»
    «Glaubst du nicht, dass die Verständnis dafür haben werden? Commissario flieht vor Polizeiaktionen, weil er seinen Urlaub genießen will! Das sollte jeder Kollege verstehen, Laura! Noch dazu, wenn der Commissario mit einer attraktiven Meeresbiologin unterwegs ist.» Guerrini goss das siedende Wasser über die Teeblätter.
    «Ich hab nicht verraten, dass ich derzeit Meeresbiologin bin, Angelo. Mir erscheinen unsere Ausweichmanöver inzwischen ziemlich riskant. Mich würde nicht wundern, wenn die uns inzwischen für verdächtig halten.»
    «Also doch Rom?»
    «Ich weiß nicht. Inzwischen bin ich neugierig. Zum Beispiel würde ich gern wissen, wo dieser alte Schriftsteller steckt, der hier angeblich wohnt. Und ich würde gern nochmal mit Luciano reden und mit Tibero oder einem anderen Fischer. Außerdem wüsste ich gern, was mit Orecchio passiert ist, und ich möchte herausfinden, welche Verbindung zwischen Ruben und Domenica di Colalto besteht. Und warum taucht dieser schwarze Händler immer wieder auf? Was ist außerdem mit dem toten Araber passiert? Wer hat den Pflug für uns aufgestellt, und wer hat deinen Wagen mit roter Farbe übergossen, wer unser Haus durchwühlt? Und die wichtigste Frage: Was hat das alles mit dir und deinem Vater zu tun?»
    Guerrini stellte langsam den Wasserkocher ab, umfasste mit einer Hand seinen Nacken und senkte den Kopf. Als er wieder aufsah, zuckte ein unsicheres Lächeln um seine Mundwinkel.
    «Es tut mir leid, Laura. Ich wollte wirklich Urlaub mit dir machen. Ich hatte keine Ahnung, was hier auf uns warten würde. Nichts als ein Stück meiner Vergangenheit wollte ich dir zeigen, einfach davon erzählen und dir die Schauplätze zeigen. Aber das …» Guerrini schüttelte den Kopf.

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