Die Stunde der Zikaden
Vorstellung des Wachmanns allmählich auf die Nerven ging.
«Ah, Dottore. Das vielleicht nicht, aber die können vieles heutzutage. Mindestens zwei der Signori vom Resort sind schon aus Mailand unterwegs hierher, um die Angelegenheit zu untersuchen. Das ist nicht gut für uns hier. Diese Arbeit verlangt hundertprozentiges Vertrauen, Dottore!»
«Ich verstehe. Buona notte, Fabrizio. Falls es nötig ist, werde ich für dich bürgen.» Guerrini fuhr los, ohne auf die Antwort des Wärters zu warten.
Es war sehr dunkel in Il Bosco . Die Straßenbeleuchtung war noch nicht repariert. Ein großer Vogel flatterte aus einem Baum direkt ins Licht der Scheinwerfer, Guerrini bremste scharf. Dunkle Schwingen klatschten gegen die Windschutzscheibe und verschwanden über dem Wagendach.
«Una civetta», murmelte Guerrini und dachte, dass seine Mutter sich jetzt bekreuzigt hätte.
«Una civetta», sagte Laura neben ihm. «Meine Mutter hat sich vor Eulen gefürchtet. Seltsam, nicht?»
«Nein, gar nicht seltsam.»
Er ließ den Wagen auf dem kleinen Parkplatz neben dem Bach ausrollen, schaltete Motor und Licht aus und sah zum Haus hinauf. Die Mauern und Fenster wurden ein ganz klein wenig vom Mond angestrahlt, vielleicht auch von der Spiegelung des Mondlichts auf der Meeresoberfläche.
«Ich habe das Gefühl, wir sollten sehr vorsichtig sein. Hier ist eine Taschenlampe für dich, ich nehme die zweite. Aber mach sie nur an, wenn unbedingt nötig.» Leise öffnete Guerrini die Wagentür und horchte zum Haus hinauf. Nur das Rollen der Brandung war zu hören. Er nickte Laura zu, und beide stiegen langsam aus. Sie ließen die Wagentüren angelehnt und bewegten sich vorsichtig auf ihr Haus zu, hintereinander, sich gegenseitig sichernd, als wären sie im Einsatz.
Da war die Terrasse, der Tisch, die Stühle, der Eingang, den sie mit den hölzernen Läden verschlossen hatten. Jetzt standen sie weit offen. Glasscherben lagen herum, knirschten unter ihren Schuhen. Laura und Guerrini stellten sich links und rechts der Tür auf und lauschten lange. Aber hier auf der Terrasse rauschte die Brandung so laut, dass es schwer war, andere Geräusche wahrzunehmen.
Sie warteten lange, bis endlich Guerrini Laura ein Zeichen gab, ins Haus schlüpfte und das Licht einschaltete. Es war so grell, dass er seine Augen mit einer Hand beschattete.
Laura wartete auf Angelos Signal, es kam mit Verzögerung und in Form eines wilden Fluchs. Gleich darauf wusste Laura, warum Angelo fluchte. Ihr wunderbares Ferienhaus hatte sich in ein wildes Chaos verwandelt. Sessel waren umgeworfen, die Polster des Sofas lagen auf dem Boden, alle Türen und Schubladen der antiken Kommode standen offen, Zeitungen bedeckten den Boden. Sie liefen von Zimmer zu Zimmer. Alles war durchwühlt. Die Betten, die Kleider, selbst das Badezimmer und die Küche.
«Mein Laptop.» Laura war ihre eigene Stimme fremd, ganz heiser. «Ich glaube, er ist weg.»
«Nein, ist er nicht. Ich habe ihn unten im Heizungskeller eingeschlossen. Meinen übrigens auch.»
«Wann denn?»
«Ehe wir losfuhren. Mir hat nicht gefallen, dass dein bunter Afrikaner ums Haus schlich.»
«Ich glaube nicht, dass er das getan hat.»
«Vielleicht nicht, aber es klingt zumindest ziemlich wahrscheinlich.»
«Weil er schwarz ist?»
«Lassen wir das!»
«Nein!»
«Bene. Nicht weil er schwarz ist, sondern weil er sich verdächtig benommen hat. Nur deshalb!»
«Dieser Orecchio ist mindestens ebenso verdächtig!»
Laura zog ihr zartes dunkelblaues Seidenhemd unter dem Inhalt ihrer Kosmetiktasche hervor und sah zu Guerrini hinüber, der mit verschränkten Armen an der Badezimmertür lehnte.
«Ja, verdammt! Nicht nur Orecchio, da fallen mir noch ein paar andere ein!»
«Ah, und warum dann sofort der Afrikaner?» Laura warf ihr Haar zurück und streckte angriffslustig ihr Kinn vor.
«Weil in diesem Land zur Zeit jeder verfügbare Afrikaner an allem schuld ist! Oder ein Albaner, ein Kosovare, ein Roma, ein Sinti oder sonst einer! Leider trifft es auch in vielen Fällen zu – mit Ausnahme der Mafia!»
Laura ließ sich auf den Rand der Badewanne sinken.
«Erzähl mir bloß nicht, dass es bei euch anders ist, Laura! Und sag bitte nicht, dass ich ein Zyniker bin. Ich habe nur die öffentliche Meinung wiedergegeben. Nicht meine eigene!»
«Ist schon gut», murmelte sie. «Ich dachte nur, dass ich im Urlaub wäre und diesen ganzen Mist für ein paar Wochen vergessen könnte.»
«Ich auch.» Guerrini setzte sich
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