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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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ist Laura!»
    «Du verstehst überhaupt nichts, Angelo! Als ich ein kleines Mädchen war, gab es bei uns ständig Warnungen vor tollwütigen Tieren. Das hat sich mir eingeprägt. Bei Wanderungen mit meinen Eltern bin ich immer quer durchs Gelände gelaufen und habe dabei ständig damit gerechnet, dass ein tollwütiges Tier auftaucht. Das war mein Abenteuerspiel an langweiligen Sonntagen. Es führte zu Schweißausbrüchen, Herzrasen – so wie dein Entführungsspiel, wenn deine Freunde dich eingeschlossen haben.»
    «Mi dispiace, Laura. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen.»
    «Schon gut.»
    «Nein, wisch das nicht so weg.»
    «Ich wisch es nicht weg. Aber ich möchte zurück zum Haus. Ich habe kein gutes Gefühl. Seit ich deine Zeichnung im Sand gesehen habe, denke ich dauernd, dass etwas nicht stimmt und dass du es genau begriffen hast. Der Fuchs passte ganz gut dazu.»
    Guerrini nahm Laura bei den Schultern und drehte sich mit ihr zum Meer um. Metallisches Blau lag über dem Wasser, der Horizont hinter den Wolkenbänken hatte sich orangerot verfärbt.
    «Du hast recht. Aber es ist trotzdem gut, hier zu sein, nicht wahr? Ganz anders als im Sommer. Zu kalt für ein Bad, zu kalt für die Liebe.»
    «Warum sagst du das?»
    «Weil es stimmt! Oder möchtest du dich jetzt ausziehen und ins Meer springen?»
    Laura schüttelte den Kopf, dachte aber, dass es vielleicht ganz gut wäre, jetzt ins kalte Wasser zu springen.
     
    Auf dem Rückweg kauften sie im Coop von Portotrusco Gemüse, Obst, frische Pasta und alles, was sie für die nächsten Tage brauchten. Es war bereits dunkel, als sie Il Bosco erreichten. Diesmal hielt nicht Orecchio sie an, sondern Fabrizio, ein zweiter Wachmann stand in der Tür des kleinen Häuschens.
    «Wo ist Orecchio?», fragte Guerrini, einer Eingebung folgend.
    «Ah, Dottore! Er ist verschwunden. Hat einfach alles stehen und liegen lassen und ist verschwunden. Er ist nicht zu Hause, nicht im Ort, niemand hat ihn gesehen. Nicht mal seine eigene Mutter! Wir haben die Carabinieri benachrichtigt, die haben ihn noch heute früh im Revier gehabt, er hat seine Aussage zu der Geschichte mit dem weißen Lieferwagen gemacht. Danach hat er seinen Dienst angetreten, wie immer. Ernesto ist sehr zuverlässig, Dottore! Wir sind alle sehr aufgeregt, weil hier niemand einfach so weggeht. Il Bosco ist eine große Verantwortung, man kann nicht einfach die Einfahrt unbewacht lassen. Er hat das Gewehr mitgenommen, Dottore.»
    Fabrizio hatte mit weit aufgerissenen Augen gesprochen, und seine Stimme klang ungewöhnlich hoch.
    «Wann habt ihr ihn zum letzten Mal gesehen?»
    «Keine Ahnung, Dottore. Die Leute, die sich um die umgefallenen Bäume kümmern, haben gegen zwei gemerkt, dass keiner im Wachhaus ist. Die haben sich umgeschaut, niemanden gesehen und dann mich angerufen.»
    «Was kann denn mit Orecchio los sein?» Guerrini tat harmlos.
    «Non lo so, Dottore. Ich habe keine Ahnung. So was ist hier noch nie passiert! Aber wenn Sie mich fragen, dann hat es was mit dem verdammten weißen Lieferwagen zu tun. Erst ist der Fahrer weg und jetzt Orecchio. Da ist was faul, Dottore, wenn Sie mich fragen. Aber was? Das dürfen Sie mich nicht fragen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, nicht die geringste, Dottore!»
    «Na, dann können wir nur warten, nicht wahr, Fabrizio.» Guerrini ließ den Wagen anrollen, doch Fabrizio hob nochmal die Hand, zögernd, als wagte er eigentlich nicht, den Dottore zu belästigen.
    «Ja, was ist denn noch?» Guerrini beugte sich halb aus dem Fenster, denn er hatte sich schon ein paar Meter von Fabrizio entfernt. Der Wachmann lief zum Lancia und rieb verlegen seine Hände.
    «Ich wollte Sie nur noch etwas fragen, Dottore. Nur, wann Sie rausgefahren sind, heute … und ob Sie Orecchio noch gesehen haben. Mi scusa, Dottore …»
    «Aber warum denn, Fabrizio! Du musst dich nicht entschuldigen. Es muss so gegen elf gewesen sein, als wir rausfuhren. Orecchio war noch da, und wir haben uns kurz mit ihm unterhalten. Er wirkte ganz normal.»
    «Ah, gegen elf.» Fabrizio schlug die rechte Faust in seine flache linke Hand. Es gab einen trockenen Knall, und er fluchte leise, entschuldigte sich aber noch im gleichen Augenblick bei der Signora, die neben dem Dottore im Wagen saß. Es sei nur so, dass die Einfahrt möglicherweise zwei, drei Stunden lang unbewacht gewesen war. Ein undenkbarer Zustand für Il Bosco .
    «Na, sie können die Villen ja nicht wegtragen», knurrte Guerrini, dem die

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