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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Mal hier?»
    «Nein.» Guerrini legte die Feige auf seinen Teller zurück. «Wir haben dieses Haus gemietet und hoffen auf einen ruhigen Urlaub.»
    Der Fremde nahm die Sonnenbrille von seinem Kopf, glättete sorgfältig sein Haar und lächelte ein bisschen verzerrt.
    «Oh, man kann wunderbar ruhige Urlaube hier verbringen. Sie hatten einfach Pech mit dem Sturm. Darf ich mich vorstellen: Guido Wanner. Ich bin Schweizer, aus der Südschweiz, beinahe schon Italiener.» Sein Lächeln wurde breiter, und er streckte Guerrini die rechte Hand entgegen. Der zögerte, drückte Wanners Hand sehr kurz und murmelte undeutlich seinen eigenen Namen. Wanner wandte sich an Laura.
    «Haben Sie inzwischen den Wiedehopf gesehen, Signora?»
    «Laura, Signora Laura. Nein, aber ich werde nach ihm Ausschau halten, Signor Wanner.»
    «Ja, dann will ich nicht länger stören. Vielleicht haben Sie Lust, in den nächsten Tagen auf einen Drink zu uns zu kommen. Es ist nicht weit. Das sechste Haus am Strand Richtung Portotrusco. Wir würden uns freuen, mein Freund und ich. Es ist ziemlich einsam hier im Oktober, nicht wahr?» Er setzte die Sonnenbrille auf und wandte sich zur Treppe, doch Guerrinis Stimme hielt ihn zurück.
    «Was war eigentlich der Anlass Ihres durchaus erfreulichen Besuchs, Signor Wanner?»
    «Na, ich wollte sehen, ob Sie Hilfe brauchen, falls bei Ihnen ebenfalls eingebrochen wurde.» Wanner schien irritiert.
    «Dann danke ich sehr. Es ist gut, Nachbarn zu haben, die sich um andere sorgen. Und Dank auch für die Einladung.»
    «Gern, Signori. Aber kommen Sie wirklich! Am frühen Abend sind wir fast immer zu Hause.» Grüßend hob er den Arm und ging ab, wie ein Schauspieler von der Bühne. Guerrini stützte beide Hände auf die Terrassenbrüstung und sah ihm nach. Dann beugte er sich vor und rief: «Signor Wanner! Ist bei Ihnen etwas gestohlen worden?»
    Wanner war bereits auf dem schmalen sandigen Pfad, der zum Strand führte.
    «Nur ein billiger Fotoapparat. Wir haben einen Tresor!» Er winkte nochmal, ehe er zwischen den Büschen verschwand.
    «Was hältst du von diesem Überraschungsgast?», fragte Laura.
    «Test Nummer zwei. Sie können nicht glauben, dass bei uns nicht eingebrochen wurde, weil sie genau wissen, dass es nicht stimmt.»
    «Möglich. Aber vielleicht wurde wirklich in allen Strandvillen eingebrochen, und die ganze Geschichte hat mit der Leiche gar nichts zu tun.»
    «Kann sein. Trotzdem ist es seltsam. Aber mich ärgert viel mehr, dass er mich völlig aus dem Konzept gebracht hat! Ich wollte dir etwas Wichtiges erzählen, und er trampelt einfach hier herein! Genau wie Enrico heute früh.»
    «Jetzt ist er weg, Angelo. Vielleicht kannst du einfach da weitermachen, wo du vorhin aufgehört hast?»
    «Erst muss ich frischen Kaffee machen!» Guerrini drehte sich um und schlüpfte durch die schmale niedrige Terrassentür in die Küche.
     
    Der Commissario hatte kein Glück mit seinen Versuchen, Laura von der Vergangenheit zu erzählen. Kaum war er mit frischem Kaffee auf die Terrasse zurückgekehrt, näherte sich das Geknatter einer Vespa und verstummte genau vor ihrem Haus. Kurz darauf erklang die Stimme des Wärters Fabrizio.
    «Dottore! Sind Sie zu Hause?»
    «Porca miseria!», fluchte Guerrini, während Laura einen zweiten Kicheranfall unterdrückte.
    «Ja, ich bin zu Hause! Was ist denn los, um Himmels willen?» Guerrini war zu laut, zu genervt. Fabrizio verstummte. Als Guerrini an die Brüstung trat, um nach ihm Ausschau zu halten, stand der Wärter von Il Bosco verlegen auf den Stufen, die vom Parkplatz zum Haus führten.
    «Tut mir leid, Dottore. Ich wollte nicht stören.»
    «Komm schon rauf!»
    «Aber ich will nicht stören!»
    «Komm endlich!»
    Er kam. Sehr langsam, sehr verlegen.
    «Willst du einen Kaffee?»
    «Nein, nein, Dottore. Scusa, Signora.»
    «Was also?»
    «Es ist … ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Sie sind ein Commissario, Dottore, nicht wahr?» Fabrizio lief knallrot an.
    «Wer hat dir denn das erzählt?»
    «Der Conte Colalto. Vielleicht hat er ja nur einen Witz gemacht, Dottore. Das macht er manchmal, der Conte. Entschuldigen Sie bitte!»
    «Schlechter Witz! Sag mir lieber, was du willst!»
    «Falls Sie ein Commissario sind, Dottore. Ich meine, nur für den Fall … dann muss ich … dann will ich … es ist so: Ernesto ist verschwunden. Sie wissen schon, Orecchio, Ernesto Orecchio! Ich habe Ihnen das gestern schon erzählt. Deshalb war die Eingangspforte so lange nicht

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