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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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herum. Ich hab mich schon oft darüber beschwert und der Signor Scoglio auch!»
    «Hat sie vorgestern auch an seine Tür getrommelt?»
    «Nein. Sie hat laut geschimpft, dann ist sie wieder die Treppe runter und in ihre eigene Wohnung.»
    «Wann war das ungefähr, Signora?»
    «Warten Sie. Am Nachmittag, später Nachmittag, beinahe halb fünf, ja.»
    «Woher wissen Sie das so genau, Signora?» Guerrinis Stimme klang sanft.
    Plötzlich wurde Maria Crestina unsicher, schien die Frage nicht genau zu verstehen.
    «Was, woher?»
    «Haben Sie vielleicht zufällig auf die Uhr geschaut, oder hat ein Fernsehprogramm angefangen?»
    «Weil, weil ich gerade einkaufen gehen wollte, deshalb war ich im Treppenhaus und habe alles genau gehört, deshalb.»
    «Ach so.» Guerrini lächelte. «Und als Sie vom Einkaufen zurückkamen, haben Sie da noch etwas gehört? Vielleicht?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Da war alles still, und in Ernestos Wohnung brannte kein Licht, obwohl es schon stockdunkel war. Vielleicht war er da schon weg. Nein, kann ja nicht sein. Sein roter Fiat stand noch auf dem Parkplatz neben dem Haus. Der war erst gestern früh weg.»
    «Wann ungefähr?»
    «Sehr früh! Ich steh jeden Morgen um sechs auf, aber da war er schon weg.»
    «Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?» Guerrini wurde ungeduldig.
    «Was denn noch? Er war ein Mammone, ein Muttersöhnchen! Nie hat er eine Frau mitgebracht, dabei war er schon fast vierzig. Was ist denn das für ein Mann? Das frage ich Sie, Herr Detektiv. Vierzig und nie eine Frau!»
    «Sie haben wohl sehr genau aufgepasst, Signora.»
    «Was, was? Wollen Sie vielleicht sagen, dass ich hinter ihm herspioniert hätte? Da kommen Sie gar nicht drum herum in diesem Haus. Hier hört man alles, das kann ich Ihnen sagen! Ich kann sogar das Fernsehprogramm der Signora Orecchio mithören, und wenn jemand aufs Klo geht …»
    «Bene, Signora. Würden Sie uns jetzt bitte mit Maddalena Orecchio allein lassen!»
    «Allein? Wieso denn?»
    «Einfach so.»
    «Ah!» Sie sperrte den Mund auf, klappte ihn wieder zu und gab endlich die Tür frei.
     
    Es wurde nur ein kurzes Gespräch mit Ernesto Orecchios Mutter. Sie war nicht in der Verfassung für Gespräche oder Befragungen, schluchzte die ganze Zeit und schien davon auszugehen, dass er nicht zurückkommen würde. Ständig wiederholte sie, was für ein guter Junge er gewesen sei, ein sehr guter Junge, ihr einziger Sohn. Nein, sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er vorgestern Nachmittag zurückgekommen war, aber da hatte sie ihn auch nur auf der Treppe gehört. Danach wollte er die Tür nicht aufmachen, dabei wollte sie ihn zum Essen einladen. Sie hatte die Coda gekocht, sein Lieblingsgericht, geschmorten Ochsenschwanz. Aber er hatte die Tür nicht aufgemacht. Das machte er ziemlich oft. Als wäre sie niemand. Nur jemand, der ihm die Wäsche wäscht oder die Wohnung putzt, obwohl sie das schon lange nicht mehr durfte … seine Wohnung putzen.
    Maddalena Orecchio war eine mittelgroße Frau mit schweren Armen und Beinen. Nicht dick, aber schwer. Ihr dunkles Haar war mit weißen Strähnen durchsetzt und zu einem Knoten geschlungen, ihre Augen rot und verquollen vom Weinen.
    «Er war alles, was mir geblieben ist. Erst wurde mein Dorf zerstört, meine Schwester getötet, dann starb mein Mann. Ernesto war alles, was mir geblieben war, alles, alles. Jetzt bin ich allein!»
    «Aber Signora, es ist doch gar nicht sicher, dass ihm etwas zugestoßen ist.»
    Mit einer großen Geste winkte sie ab.
    «Es ist so! Ich weiß es! Die Crestina hat recht: Klagen und Aufregen hilft nicht. Es ist alles klar. Man muss nur in sich hineinhorchen. So ist es!» Sie presste sich ein hellgrünes Taschentuch vor den Mund, stopfte es sogar ein bisschen hinein, als wollte sie einen Schrei ersticken.
    Guerrini ließ seinen Blick durch das mit dunklen Möbeln vollgestopfte Zimmer wandern, auf einer Kommode waren mindestens zwanzig kitschige Madonnenfiguren versammelt. Er betrachtete die zahlreichen Plastikblumensträuße und schaute zu Laura hinüber, die ihre Augen gen Himmel verdrehte. Endlich räusperte er sich.
    «Könnten wir einen Blick in die Wohnung Ihres Sohnes werfen, Signora Orecchio? Vielleicht gibt es einen Hinweis, was mit ihm geschehen sein könnte.»
    Plötzlich schien sie aus ihrer Verzweiflung zu erwachen, starrte Guerrini an und wischte sich die Augen.
    «Wer seid ihr eigentlich? Polizei oder was? In die Wohnung meines Sohnes kommt keiner!»
    «Wir sind

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