Die Stunde der Zikaden
mir im Augenblick ziemlich egal, vor allem, nachdem wir seine Mutter und diese Witwe kennengelernt haben.»
«Vielleicht sollten wir mit diesem Tibero reden, den seine Mutter erwähnte. Kein schlechter Typ: Fischer, gutaussehend, groß, zwinkert Frauen zu und bedroht geschwätzige alte Männer mit einem Wasserschlauch.»
«Woher weißt du denn das?» Guerrini kniff sie leicht in den Schenkel.
«Weil ich die Gegenwart beobachte, während du auf der Jagd nach der Vergangenheit bist. Aber in diesem Fall ergänzt sich das ganz gut. Liebst du mich noch?»
«Darüber muss ich jetzt nachdenken.»
Laura dachte, dass sie stundenlang so dahinfahren könnte, sich gegenseitig mit Worten umkreisend, ganz und gar ausgeklinkt. Am liebsten hätte sie noch eine landwirtschaftliche Maschine der Colaltos versenkt.
SEHR FRÜH AM NÄCHSTEN MORGEN rief Kommissar Baumann auf Lauras Handy an. Er holte sie aus dem Bett, und sie musste im Unterhemd auf die Düne, um eine gute Verbindung zu bekommen. Auf ihren Protest hin erinnerte er sie freundlich daran, dass er bereits seit zwei Stunden im Dienst sei und keinen Urlaub am Mittelmeer verbringe. Daraufhin war Laura still und wartete auf seinen Bericht. Er hatte sich sehr genau über Sebastian Ruben erkundigt und herausgefunden, dass er eine Marketing-Firma betrieb, die sich auf Kunsthandel spezialisiert hatte.
«Was für Kunst?», fragte Laura.
«Alles Mögliche. Modern, alt, antik. Die machen alles. Werbung und so. Zielgruppen anpeilen.»
«Und?»
«Er hat offensichtlich eine Menge Geld. Aber das ist ja nicht strafbar. Wo hast du den eigentlich aufgetrieben?»
«Er ist unser Nachbar.»
«Du musst ja in ’ner feinen Gegend Urlaub machen. Hat dein Commissario im Lotto gewonnen?»
«Nein, ich. Also, was gibt es noch?»
«Ich wollte euch nicht zu nahe treten, aber dieser Herr schätzt das gute Leben.»
«Das hat er hier auch. Er wohnt in einer Luxusvilla und hat Luxusfreunde aus der Schweiz.»
«Nicht schlecht. Es gibt übrigens noch eine Zweigstelle seiner Firma in Frankfurt.»
«Hast du dich bei den Kollegen dort umgehört?»
«Nein, Laura. Bisher bestand ja keine dringende Notwendigkeit, oder?»
«Könntest du es trotzdem tun?»
«Sag mal, machst du Urlaub, oder arbeitest du als verdeckte Ermittlerin?»
«Sagen wir mal so: Ich mache Abenteuerurlaub.»
«Konnte ja nicht anders sein, oder? Ich sag dir mal was, Laura! Wenn ich Urlaub mache, dann ist das wirklich Urlaub, und es interessiert mich einen Scheißdreck, ob jemand direkt vor meiner Nase umgebracht wird oder sonst was!»
«Glaub ich dir nicht!»
«Das kannst du mir aber gern glauben! Dein Sebastian Ruben ist übrigens einundvierzig Jahre alt, lebt seit neun Jahren in München, ledig, hat sich vor zwei Monaten von seiner Freundin getrennt, keine Kinder. Er fährt ungefähr zweimal im Monat nach Frankfurt in seine Zweigstelle. Außerdem fliegt er öfters in die USA.»
«Danke, Peter. Hat er auch Verbindungen in die Schweiz?»
«Konnte ich nicht feststellen.»
«Und was ist mit Italien?»
«Da gibt es was. Er hat auch ein paar italienische Kunsthandlungen unter Vertrag.»
«Zufällig eine in Florenz oder Siena?»
«Zufällig zwei in Florenz, keine in Siena.»
«Könntest du mir Namen und Adressen dieser Kunsthandlungen mailen?»
«Klar.»
«Danke, Peter. Das war wirklich klasse. Wenn ich zurück bin, darfst du Ferien machen. Richtige Ferien.»
«Da bin ich ja gespannt. Grüß den Commissario.»
«Mach ich. Übrigens könntest du noch was für mich tun.»
«Nein.»
«Doch! Frag bitte bei den Schweizer Kollegen nach, ob denen irgendwas zu Guido Wanner und Richard Stamm einfällt.»
«Sind das auch Nachbarn von euch?»
«Ja.»
«Ich glaube, man sollte die Leute wirklich warnen!»
«Kannst du ja machen. Ciao! Und danke, Peter!»
Nachdenklich kehrte Laura ins Haus zurück und lehnte sich an das Fenster, von dem aus man die kleine Terrasse hinter dem Haus überblicken konnte. Die mageren Katzen waren wieder da.
Vielleicht sollten wir aufhören mit unserem Abenteuerspiel und es einfach anderen überlassen, dachte Laura. Sie fragte sich, wie sie diesen Urlaub verbringen würden, wenn all die unvorhergesehenen Komplikationen nicht eingetreten wären, wenn Guerrini sich nicht auf eine Reise in die Vergangenheit begeben hätte. Aber sie fand keine überzeugende Antwort.
Fast zur selben Zeit entdeckte ein Angler in einer der Buchten des Monte Argentario den leblosen Körper eines Mannes, den die
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