Die Stunde der Zikaden
überholen konnte, bogen sie nach rechts auf das Gelände einer Baustelle ab, und Guerrini schaltete die Scheinwerfer aus. Der Wagen fuhr vorbei, seine Insassen hatten sie offensichtlich nicht gesehen.
«Jetzt», murmelte Guerrini, «würde ich gern eine Zigarette rauchen. Warum sind wir eigentlich so unfrei in unserem Leben?»
«Weil es auf Baustellen nachts keine Zigaretten gibt.»
Er starrte sie an, obwohl er im Dunkeln nur die Umrisse ihres Gesichts erkennen konnte. «Du würdest also mit mir eine Zigarette rauchen?»
«Ja, natürlich. Wie damals in der Osteria in Buonconvento, als wir beide uns gegenseitig versichert haben, dass wir eigentlich nicht rauchen. Übrigens, wieso hattest du damals Zigaretten dabei?»
«Weil ich es erst ein paar Wochen zuvor aufgegeben hatte.»
«Okay. Was machen wir jetzt mit dem Pflug?»
«Ich weiß es nicht. Vielleicht sollten wir uns das Gelände hier ansehen. Die haben möglicherweise eine passende Grube für uns.»
Im Schein ihrer Taschenlampen wanderten sie über die Baustelle und fanden tatsächlich eine tiefe Baugrube, die offensichtlich noch in Arbeit war, denn an ihrem Rand parkten zwei große Bagger.
«Wie kriegen wir ihn da rein, ohne deinen Lancia ebenfalls zu versenken?»
«Schieben!» Guerrini untersuchte den Boden. «Der Untergrund ist fest und ziemlich trocken. Wenn wir das Ding ganz nah heranbringen, müssten wir das zu zweit eigentlich schaffen.»
Es wurde nicht einfach. Guerrini riskierte eine Menge, als er äußerst nah an den Rand der Baugrube heranfuhr, und der Pflug, der ja wesentlich breiter war als der Lancia, sich tatsächlich zu neigen begann.
«Ausklinken! Schnell!», schrie er Laura zu, die das Manöver beobachtete. Sie versuchte das Abschleppseil zu lösen, doch es hatte sich unglücklich verhakt.
«Ein Messer!»
Guerrini zog die Handbremse an, legte den ersten Gang ein, zog sein Klappmesser aus dem Fach in der Fahrertür und rannte nach hinten. Noch stand der Pflug, bedrohlich aufgerichtet wie ein prähistorisches Monster. Das Seil war zu sehr gespannt, um den Haken lösen zu können. Vorsichtig begann Guerrini es zu durchtrennen. Er zuckte zusammen, als der Pflug sich noch ein wenig mehr zur Baugrube neigte. Die Spannung des Seils war so groß, dass es unerwartet riss, als Guerrini etwa zwei Drittel durchschnitten hatte. Doch noch immer hielt sich der Pflug in einer seltsamen Balance am Rand der Grube. Guerrini sprang wieder in den Lancia und brachte ihn in Sicherheit. Endlich stellte er sich neben Laura.
«Gleichzeitig und mit Kraft!», sagte sie. «Ich zähle bis drei!»
Es funktionierte nicht. Der Pflug hing schräg und rührte sich nicht. Es war, als hätten sich zwei Ameisen gegen ihn gelehnt.
«Schwingung!», sagte Guerrini. «Wir müssen ihn in Schwingung versetzen! Schaukeln!»
Hundert Meter entfernt, auf der Hauptstraße, fuhren jetzt mehrere Autos vorüber. Sie konnten nur hoffen, dass kein zufälliger Lichtstrahl sie traf. Beinahe zwanzig Minuten lang mühten sie sich, setzten all ihre Kräfte gegen die Riesenmaschine ein. Dann gaben sie auf, um sie einfach so stehen zu lassen. Doch als sie sich endgültig abwandten und bereits den halben Weg zum Lancia zurückgelegt hatten, neigte sich der Pflug plötzlich mit einem schrillen Ächzen, und als sie sich umdrehten, kippte er über den Rand der Baugrube. Es polterte, krachte. Stille.
Sie rannten zur Grube zurück und leuchteten mit den Taschenlampen hinein. Er lag ganz unten, dort, wo sich Wasser gesammelt hatte. Halb versunken sah er aus wie ein bösartiger Roboter aus einem Science-Fiction-Film. Ohne Kran würde man ihn nicht herausholen können.
«Meraviglioso, Commissaria! Das haben wir gut gemacht.» Guerrini drehte Laura zwischen den Baggern im Kreis.
Später, als der Lancia wieder ruhig auf der Straße zum Resort dahinfuhr und Angelos Hand wieder auf Lauras Oberschenkel lag, sagte sie: «Das ist ein wunderbarer Urlaub, Angelo. Ein bisschen wie ein surrealer Traum.»
«Manchmal denke ich, das liegt an dir, Laura.»
«Quatsch! Wer hatte denn die Idee mit dem Haus in Portotrusco? Ich wäre mit dir auch nach Mallorca geflogen.»
«Nein, wärst du nicht.»
«Wär ich doch!»
«Aber ich nicht!»
«Siehst du! Sag mal, was ganz anderes: Was machen wir mit Orecchio?»
«Wie kommst du jetzt auf Orecchio?»
«Ganz einfach, weil er verschwunden ist und vielleicht auch in einer Baugrube liegt, wie der Pflug. Hast du nicht irgendwas von Mafia gesagt?»
«Orecchio ist
Weitere Kostenlose Bücher