Die Stunde des Adlers (Thriller)
Volk hat uns gewählt, die Deutsche Mark Partei.«
»Wissen Sie denn überhaupt, was das Volk will?«
»Das Volk hat uns gewählt, es will die D-Mark.« Ihm direkt gegenüberstehend, weit mehr als einen Kopf kleiner, wurde sie langsam lauter und giftig, eben wie eine schwarze Pest.
»Weil Sie es mit der guten alten Zeit verblendet haben.« Der Bundesbanker blieb ganz ruhig, er musste sich im Griff haben.
»Woher wollen Sie das wissen, Baron von Hartenstein?« Kuhn wurde lauter.
»Sie haben dem Volk nicht erzählt, was die D-Mark bringen würde.«
»Das Volk hat doch keine Ahnung. Wir wissen, was das Volk will. Wir wissen es sogar besser als das Volk. Deutschland braucht den Euro nicht.« Das musste man nach von Hartensteins Einschätzung sogar drinnen im Raum gehört haben.
»Da wäre ich mir nicht so sicher, Frau Kuhn. Europa braucht den Euro und damit auch Deutschland.« Von Hartenstein hatte die Arme fast fragend wieder auseinandergenommen.
»Seien Sie sich lieber nicht so sicher.«
»Hier auf dem Gelände der Bundesbank sind Sie sicher. Hier passiert niemandem etwas. Das kann ich Ihnen versichern. Bis morgen, Frau Staatssekretärin. Lassen Sie es sich schmecken, das Essen ist exzellent hier, ganz sicher.« Und damit ließ er sie einfach stehen. Als von Hartenstein wieder sein iPhone in Augenschein nahm, merkte er, dass er zwar die Combox weggedrückt, aber dabei versehentlich die Videofunktion eingeschaltet und so die laute Tirade der Staatssekretärin aufgenommen hatte.
Auf dem Weg zurück ins Büro schaute er sich die kurze Diskussion noch einmal fasziniert davon an, wie entlarvend Kuhn war: »Wir wollen über eine neue Währung reden«, sagte die attraktive Frau noch ganz normal. Seine Sequenz hörte man nur: »Sie wollen über die Rückkehr der D-Mark reden, das ist kontraproduktiv.« Langsam lauter werdend sprach die ehemalige Wahlkampfmanagerin: »Das Volk hat uns gewählt, die Deutsche Mark Partei.« Und auf seine nächste Frage »Wissen Sie denn überhaupt, was das Volk will?« antwortete sie mit einem giftigen Blick: »Das Volk hat uns gewählt, es will die D-Mark.« Seine ruhige Stimme gab Kontra: »Weil Sie es mit der guten alten Zeit verblendet haben.« Worauf die immer ungehaltener werdende Frau fragend erwiderte: »Woher wollen Sie das wissen, Baron von Hartenstein?« Wieder hielt seine sonore Stimme dagegen: »Sie haben dem Volk nicht erzählt, was die D-Mark bringen würde.« Zum Schluss wurde die neue Staatssekretärin immer lauter: »Das Volk hat doch keine Ahnung. Wir wissen, was das Volk will. Wir wissen es sogar besser als das Volk. Deutschland braucht den Euro nicht.«
Der Rest war kaum mehr zu verstehen, geschweige denn zu sehen, weil er ja die Arme auseinandergenommen hatte. Von Hartenstein war überrascht, wie sich die schwarze Pest hatte provozieren lassen. Das müsste man dem von ihr so oft bemühten Volk mal zeigen. Ehe er weiter darüber nachdenken konnte, klingelte sein iPhone und zeigte das Bild der Anruferin: eine lachende, gut aussehende Frau – seine Frau: Veronica de Borquese. Von Hartenstein wusste, dass ihr nicht zum Lachen zumute war, als er die grüne Taste im Display drückte: »Amore, es tut mir leid.«
D-Day minus 13: Dienstag
10.00 Uhr
Wie ein Wachturm ragte neben dem Gelände der Deutschen Bundesbank in Ginnheim der Euroturm in den Himmel, den Anwohner ringsum lieber Ginnheimer Spargel nannten. Den zweifelhaften Spitznamen »Wachturm« hatte der Fernsehturm von einem englischen Starjournalisten erhalten. Den hatte ihm der Korrespondent der Financial Times , David Marsh, in seinem Buch The Bundesbank gegeben. Zugegebenermaßen hatte der Turm etwas von einem Wachturm, vom dem aus man das ganze »Gefängnis« betrachten konnte. Schwer eingezäunt machte die Deutsche Bundesbank keinen besonders einladenden Eindruck, auch wenn sie ein Geldmuseum für die Öffentlichkeit hatte bauen lassen.
Von Hartenstein musste auf dem Weg vom Zentralgebäude zum Gästehaus daran denken, weil heute gegen Mittag noch eine junge englische Starjournalistin zum Gespräch mit Claus Victor Dohm kommen würde, an dem er als Experte für internationale Währungspolitik teilnehmen sollte. Dohm wollte ja ohnehin so normal wie möglich weitermachen. Für ihn als Zentralbereichsleiter bedeutete das viel mehr zusätzliche Arbeit als für seinen Präsidenten.
Arbeitsebene halt, sinnierte er, als er vor dem Gästehaus seine wartenden Mitstreiter heranwinkte, ehe alle zusammen in den
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