Die Stunde des Adlers (Thriller)
die noch kräftigen Haarfarben der jungen Staatssekretäre und die wohl gefärbten roten Haare von Frau Dr. Christ. Frau Professor trug echtes Grau passend zum grauen Kostüm.
»Da Sie, Frau Staatssekretärin, um diese Projektgruppe gebeten haben, schlage ich vor, dass Sie heute den Vorsitz übernehmen und uns zunächst den Arbeitsauftrag erläutern. Danach müssten wir dann Verfahrensfragen klären und uns von Frau Prof. Walther de Pasquale einen Statusreport über die volkswirtschaftliche Situation geben lassen, nicht wahr?« Sein Gegenüber schien überrascht, Baron Dr. Hanns-Hermann von Hartenstein, gestählt durch Tausende von Sitzungen, zog alle Register: »Und morgen übernehme ich, danach wechseln wir täglich.«
»Okaaay«, Kuhn fiel auf seinen ersten Coup offensichtlich gleich herein; sie schien sich auf diese Verfahrensfragen nicht richtig vorbereitet zu haben, was von Hartenstein nur zu gut passte. Die schwarze Pest straffte sich und öffnete forsch ihre Mappe. »Ich lese Ihnen zunächst einmal den streng geheimen Beschluss des Bundessicherheitskabinetts vor, der …«
»Ach ja, Entschuldigung, Frau Kuhn«, unterbrach der oberste Bundesbanker im Raum seine Gegenspielerin, »wir sollten alle Handys, iPads, Smartphones und so weiter zu Beginn jeder Sitzung bei Herrn Dr. Hutter abgeben und die Internet-Regularien festlegen.« Das missfiel ihm zwar auch, war aber Usus bei wirklich streng geheimen Sitzungen.
»Wie bitte?«
»Das ist eine Geheimoperation, Frau Kuhn. Das ist bei uns so. Geheime Protokolle werden auch nur auf Papier erstellt und nicht gemailt.« Die Hände vor sich gefaltet blickte von Hartenstein die Sitzungsleiterin genau an. Er hatte sie wieder überrascht. Es dauerte zehn Sekunden, bis sie ihr iPhone wie einen Colt zückte und mit einem entnervten Wurf auf den Tisch knallte. Ihr dauerte das Ganze schon viel zu lange.
»Wenn Sie so freundlich wären, Herr Dr. Hutter.« Allein schon, um die intellektuelle Dominanz seiner Leute unter Beweis zu stellen, sprach von Hartenstein die jeweiligen Personen mit ihren akademischen Titeln an.
Während Hutter die Geräte in einer Kiste einsammelte und vor die Tür brachte, zog von Hartenstein seinen nächsten kleinen spitzen Pfeil aus dem Köcher: »Und wir sollten den Sitzungsrhythmus festlegen.« Da alle Berliner neu im bürokratischen Apparat waren, wollte von Hartenstein auch damit punkten und die Unwissenden vor sich hertreiben.
»Wieso?«
»Weil zumindest wir alle«, dabei zeigte er auf die Seite seiner Leute, »auch noch etwas anderes zu tun haben. Wir sind schließlich die wichtigste Zentralbank im Europäischen System, Frau Kuhn.«
» Das hier ist Ihre wichtigste Aufgabe, meine Damen und Herren.« Kuhn begann sich zu fangen, wollte nicht klein beigeben. »Erst einmal kommt jetzt der Arbeitsauftrag, der Beschluss des Bundessicherheitskabinetts.«
Sie hielt das Blatt mit dem Bundesadler einmal in die Runde und fing dann langsam an zu lesen: »Das Bundessicherheitskabinett beschließt, dass die Deutsche Bundesbank aus Gründen der nationalen Sicherheit angewiesen wird, gemeinsam mit Vertretern der Bundesregierung eine Projektgruppe einzusetzen, die die schnellstmögliche Wiedereinführung der D-Mark als gesetzliches Zahlungsmittel prüft.« Den letzten Halbsatz sprach sie noch langsamer und lauter als das Vorherige.
»Rein rechtlich gesehen, Frau Staatssekretärin, kann die Bundesbank das europäische Währungssystem gar nicht verlassen und damit auch nicht den Euro aufgeben.« Wie am frühen Morgen abgesprochen mischte sich sofort und ungefragt die für die Beziehungen zum Europäischen Zentralbanksystem zuständige Eva-Maria Christ ein.
»Wir sind ein souveräner Staat.«
»Der diese Souveränität unwiderruflich abgegeben hat.« Christ rückte auf dem Stuhl etwas vor.
»Das ist wohl Verhandlungssache.« Zu Kuhns Überraschung mischte sich nun Staatsminister Meier vom Auswärtigen Amt ein.
»Das sehen die Bundesbank und die EZB anders, Herr Meier. Man könnte allenfalls eine zweite Währung als Parallelwährung einführen.«
»Frau Dr. Christ, das ist sicher eine der entscheidenden Fragen, die diese Projektgruppe klären muss«, von Hartenstein spielte good cop ,»bitte machen Sie weiter, Frau Kuhn, und darf ich, zumindest von meinen Leuten, etwas mehr Rededisziplin erwarten.«
»Wir haben einen klaren Auftrag.« Kuhn versuchte, die Sitzungsmoderation wieder an sich zu ziehen, »Herr von Hartenstein, wollen Sie sich bitte als
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