Die Stunde des Adlers (Thriller)
Keller hinabfuhren. Wer hier tief unter der Erde schrie, den würde oben kein Mensch hören, die Gänge waren nur schummrig beleuchtet. Das ganze Ensemble hatte etwas von einem konspirativen Versteck. Bis man den hellen Raum erreichte, hatte jeder seine Portion Beklemmung hinter sich.
»Wieso elf Stühle? Was soll das, von Hartenstein?«
»Guten Morgen, Frau Staatssekretärin, Ihre Laune scheint über Nacht nicht besser geworden zu sein. War das Essen nicht gut genug, oder haben Sie schlecht geschlafen?« Die umstehenden Damen und Herren schauten etwas betreten auf den Boden.
»Weder noch, aber warum elf Stühle?«
»Mein Assistent wird Protokoll führen. Das dürfte bei so einer wichtigen Sache doch wohl selbstverständlich sein.« Von Hartenstein zog einen jungen Kerl am Arm hervor, der hinter den Abteilungsleitern versteckt gewesen war. »Als Hausherren machen wir das schon. Darf ich Ihnen Dr. Dominique Hutter vorstellen?«
Für einen Moment herrschte Stille. Von Hartenstein wollte diese Protokollfunktion unbedingt, denn wer protokollierte, hatte Herrschaftsmacht, weil er Interpretationsmacht hatte. Nicht immer waren die Ergebnisse ganz eindeutig, und genau dann schlug die Stunde des Protokollanten.
»Das ist eine sehr gute Idee, Baron. Guten Morgen, Herr ... Hüther?« Wie verflogen war die schlechte Laune der schwarzen Pest.
»Nicht Hüther, Hutter ist mein Name. Sie, du …« Der Schlaks, etwas kleiner als von Hartenstein mit wuscheligem schwarzen Haar, gab Kuhn die Hand, die Hutter forsch unterbrach: »Lassen Sie uns mit der Vorstellung weitermachen und dann endlich anfangen.«
Die Finanzstaatssekretärin wartete erst gar keine Antwort ab und zeigte auf einen ihrer jungen Männer nach dem anderen: Staatsminister Gerhard Meier aus dem Auswärtigen Amt, Innenstaatssekretär Dr. Bernd Müller, Justizstaatssekretär Klaus Schulze –Meier, Müller, Schulze, das klang nach drei nichtssagenden Langweilern, musste von Hartenstein unweigerlich denken – und Staatssekretär Dr. Hans Peter Edelmann aus dem Wirtschaftsministerium. Zur Begrüßung nickten die Herren nur, für von Hartenstein Ausdruck entweder von Scheu oder Feindseligkeit.
Man würde sehen, überlegte er, als er seine Vorstellung begann – alle noch immer vor dem großen rechteckigen Tisch stehend: »Dr. Hutter, meinen Assistenten und unseren Protokollanten, kennen Sie ja bereits, daneben stehen die Herren Abteilungsleiter Dr. Dietmar Klein für den Bereich Zahlungsverkehr, Dr. Sigmar Ernst, der für die Bilanzen vor allem der Banken und Unternehmen zuständig ist. Frau Dr. Eva-Maria Christ ist unsere Abteilungsleiterin für die Beziehungen zum Europäischen Zentralbanksystem sowie Frau Prof. Dr. Dr. Eugenie Walther de Pasquale, die in unserer Hauptabteilung für Volkswirtschaft die Abteilung für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung leitet.« Von Hartenstein stellte die ebenfalls nur nickenden Beamten der Reihe nach vor, weshalb die Damen nicht zuerst genannt wurden.
»Bitte«, forderte von Hartenstein nun die Anwesenden auf, Platz zu nehmen, »ich schlage vor, die Bundesbanker sitzen von mir aus gesehen rechts und die Staatssekretäre links«, wobei er zu dem Kopfende ging, an dem zwei Stühle standen und seinen Assistenten mit einem Blick auf den Platz neben sich beorderte. »Frau Kuhn, würden Sie am anderen Ende Platz nehmen?« Bis auf Kuhn setzten sich alle in Bewegung.
»Haben Sie nur Abteilungsleiter mitgebracht, Herr von Hartenstein?« Kuhn bewegte sich nicht, ihre Augen blitzten.
»Alle mit Jahrzehnten an Erfahrung.« Von Hartenstein schaute dabei auf die Jugendgang aus Berlin und nahm, ganz entgegen seiner guten Kinderstube, bereits Platz, sodass sich auch seine Seite setzte und die Staatssekretäre nicht so recht wussten, ob sie nun auf ihre Prima inter Pares warten oder sich setzen sollten.
»Aber ohne Entscheidungsbefugnis.«
»Das ist ja ohnehin nur eine Projektgruppe, Frau Kuhn. Nehmen Sie doch Platz und lassen Sie uns anfangen, sonst ist schon bald Mittag.«
Sie folgte widerwillig, ließ sich fast in den Stuhl fallen, und ihre Herren taten es ihr nach. Bereits vor Beginn der Gespräche lag in diesem hell erleuchteten, aber stickigen Raum eine explosive Stimmung in der Luft. Und als alle elf saßen, sah es so aus, als würden hier schwierigste Tarifverhandlungen oder sonstige Friedensverhandlungen in einem trostlosen grauen Raum ohne Fenster stattfinden. Für die einzigen Farbtupfer sorgten die grünen Wasserflaschen,
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