Die Stunde des Adlers (Thriller)
sammeln ließ und in einer Mappe aufbewahrte.
»Da ist sie wieder.« Von Hartenstein las den Titel einer Welt am Sonntag aus dem Juni 2012 vor. Unter ihm prangte eine deutsche Mark mit der Jahresprägung 2012. Und auf der ebenfalls abgebildeten Rückseite der Münze war die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel mit tief nach unten gezogenen Mundwinkeln abgebildet.
»Mach dich nicht lustig, Hanns.«
Der hatte inzwischen die Zeitung aufgeschlagen. Auf mehreren Seiten hatten die Redakteure das Horrorszenario aufgeführt.
»›Viele hätten gern unser altes Geld wieder. Doch würde Deutschland jetzt aus der Eurozone aussteigen, wäre es ein Komplettabsturz.‹ Drastischer könnte ich das auch nicht schreiben.« Von Hartenstein hielt Dohm den Artikel hin. »Lies mal, Claus, was der Mann 2012 gesagt hat, der auch dieses Büro hatte.«
Dohm griff nach der Zeitung. »›So, wie es im Moment läuft, kann die Währungsunion nicht nachhaltig funktionieren. Jens Weidmann, Bundesbankchef.‹ Könnte auch von mir sein.« Lustlos gab Dohm die Zeitung an seinen Freund zurück. »Aber was nützt es. Damals hätte man noch mehr Optionen gehabt, Hanns. War das nicht auch der Monat, in dem Madame Lagarde dem Euro nur noch drei Monate gab, wenn Europa nicht mutige Reformschritte gehen würde?«
»Genau. Zeitlich lag sie ein bisschen falsch, aber Merkel und Hollande haben damals noch einmal die Kurve bekommen, ohne allerdings eine echte Richtungsänderung für Europa herbeizuführen. Das Volk wandte sich immer weiter ab«, sinnierte von Hartenstein.
Wie anders wäre auch zu erklären gewesen, dass die DMP mit nichts anderem, als für die D-Mark zu sein – was nichts anderes bedeutete, als gegen den Euro zu sein –, an die Macht gekommen war, dass sie mit Abweichlern zusammen plötzlich eine Regierungsmehrheit hatte.
Von Hartenstein hatte den Unmut der Bevölkerung zum ersten Mal so richtig gespürt, als er 2012 vor 600 Schülern in einer Diskussion die Frage stellte, wer die Griechen aus dem Euro schmeißen wolle. Über 90 Prozent waren dafür gewesen. Hätte er gefragt, wer die D-Mark wiederhaben wolle, hätte er wohl ähnliche Zustimmung erhalten. Und genau das hatten die Markigen dann gemacht.
Bundesbankpräsident Claus Victor Dohm, Mitglied des Rates der Europäischen Zentralbank, der unabhängigen Hüterin der Stabilität des Euro, hob das Bild der »Titanic« aus dem Handelsblatt hoch und seinem Zentralbereichsleiter unter die Nase.
»Was soll ich tun, Triple H?« Nur selten nannte er ihn so.
»Du bist der Kapitän der ›Titanic‹, mein Lieber.«
»Nein, wenn Roth eine neue Währung will, bin ich maximal der Erste Offizier, mein Lieber.«
»Dann muss eben der Erste Offizier das Ruder übernehmen. Ich bin noch nicht einmal auf der Brücke. Du musst meutern. Nicht Meuterei auf der ›Bounty‹, sondern Meuterei durch die Bundesbank.«
»Wir können doch nicht einfach meutern.«
»Nein, Herr Erster Offizier, das können wir nicht, wir haben die Waffen doch gar nicht.«
»Vielleicht können wir sabotieren? Du bist mein Chefingenieur, wenn du schon das fatale Bild willst. Du musst mir helfen, die Maschinerie zu stoppen.«
»Wie denn?«
»Keine Ahnung, und genau deshalb brauchen wir Zeit, Hanns-Hermann von Hartenstein. Halte die Kuhn auf, solange du kannst.«
Starr standen beide Männer voreinander, beide die Hände in den Taschen, bis Claus Victor Dohm seine rechte aus der Tasche zog und sie von Hartenstein entgegenstreckte: »Bitte!?«
»Was verlangst du?«
»Leite Operation D-Day von unserer Seite.«
»Ich bin kein Politiker.«
»Genau deshalb. Du bist der Währungsspezialist. Male Kuhn und den anderen aus, was mit der Wirtschaft passieren würde, wenn wir den Euro abschaffen würden. Du hast doch gerade aus der Welt am Sonntag vorgelesen.«
»Wir müssen an die Menschen ran, Claus. Die Wirtschaft ist viel zu abstrakt.«
»Vielleicht hast du recht.«
»Wann soll es denn losgehen?«
»Kuhn ist um 16 Uhr hier.«
»Na, das ist ja noch eine Ewigkeit hin«, lachte von Hartenstein mit einem Blick auf seine Uhr, einem Erbstück seines Großvaters. Schon einige Banker, mit denen er immer mal zu tun hatte, hatten ihm diese Lange 1 aus der Vorkriegsproduktion abkaufen wollen.
Mit einem Klaps auf die Schulter verabschiedete der Präsident seinen Freund. »Wir machen business as usual , nur eine kleine Arbeitsgruppe. Die Politik übernehme ich dann.«
»Auch Frau Kuhn?«
»Das ist die Arbeitsebene,
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